Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Th. Rehbock, Süddeutsche Schiffahrtspläne. 283 
Aber auch den landwirtschafttreibenden und den anderen Bevölkerungskreisen wird aus der Ver- 
billigung der Frachtkosten Nutzen erwachsen. Der Schiffahrtskommissär Hoffmann in Heilbronn 
hat den unmittelbar für Württemberg entstehenden Frachtgewinn auf jährlich 4 Millionen Mark 
berechnet. Neben der den dringendsten Wünschen Württembergs abhelfenden Kanalisierung des 
Neckars bis Heilbronn, deren Verwirklichung in die nahe Zukunft gerückt zu sein scheint, bestehen 
in Württemberg aber noch viel weitreichendere Pläne. Zunächst ist die. Weiterführung der Kanali- 
sierung des Neckars bis Cannstatt und Esslingen d. h. bis in die Nähe der Landeshauptstadt beab- 
sichtigt. Sodann aber soll der Neckarschiffahrtsweg durch einen Kanal zur Donau bei Lauingen 
rund 30 km unterhalb Ulm und von hier im Donautal weiter bis Ulm fortgesetzt werden. Ein 
weiterer Kanal ist von Ulm durch das schwäbische Oberland nach Friedrichshafen am Bodensee 
eplant.*) 
er Die Verwirklichung dieser weitschauenden Entwürfe, nach denen Württemberg in seiner 
ganzen Ausdehnung von einem Grossschiffahrtsweg durchzogen sein würde, dürfte indessen noch 
in weiterer Ferne liegen, da die Kosten der Durchführung der gesamten Pläne ganz gewaltige sein 
und bei der Wahl reichlicher Schleusenabmessungen kaum wesentlich hinter 300 Millionen. Mark 
zurückbleiben würden. 
In Bayern ist der Wunsch nach Verbesserung der Verkehrsverhältnisse durch leistungs- 
fähige Verbindungen zu dem deutschen Wasserstrassennetz und dem Meer nicht weniger leb- 
haft als in Württemberg. 
Die Bestrebungen auf Schaffung bayrischer Grossschiffahrtswege haben in dem König 
Ludwig III. von Bayern einen zielbewussten Förderer gefunden, der keine Gelegenheit vorbeigehen 
lässt, um von grossen Gesichtspunkten aus mit dem Gewicht seiner Persönlichkeit für die Verwirk- 
lichung eines Grossschiffahrtsnetzes in Bayern einzutreten. 
Genügt doch auch der vor 60 Jahren erbaute Main-Donaukanal, der vollständig veraltet 
ist, bei seinen kleinen Abmessungen in keiner Weise mehr den heutigen Verkehrsansprüchen. Es 
ist daher beabsichtigt, an seiner Stelle einen neuen leistungsfähigen Schiffahrtsweg von der Donau 
zum Rhein zu erbauen.5) An diesen Schiffahrtsweg soll München durch einen besonderen Kanal 
angeschlossen werden. Eine Entscheidung über die Linienführung dieser grossen bayerischen 
Wasserstrasse ist noch nicht gefallen. Der ursprüngliche (Faber’sche) Plan sieht die. Verbindung 
der Donau bei Steppberg unterhalb der Lechmündung über Nürnberg nach Bamberg und von hier 
weiter durch den kanalisierten Main zum Rhein vor und besitzt wegen der scharfen Krümmungen 
des Maines von der Donau zum Rhein eine Länge von über 550 km. Das spätere (Hensel’sche) 
Projekt schneidet die starken Windungen des Maines ab, indem der Kanal von der Donau bei 
Steppberg nach Wertheim am Main geführt ist, was eine Abkürzung des Schiffahrtsweges um 
125 km bedeutet. Endlich hat König Ludwig III. von Bayern den Vorschlag gemacht, unter voll- 
ständiger Ausschaltung des Maines einen Kanal von Steppberg an der Donau unmittelbar nach 
Mannheim zu bauen, wodurch eine weitere Abkürzung des Weges zum Rhein um rund 30 km 
erzielt werden würde.6) Jede dieser Wasserstrassen würde für Bayern eine ähnliche Bedeutung 
besitzen, wie der kanalisierte Neckar für Württemberg. Eine solche grosse bayrische Wasserstrasse 
wird in Bayern mit Recht als ein dringendes Bedürfnis betrachtet. Daneben wird allerdings für 
die Zukunft auch die Verbindung des Maines durch das Werratal zur Weser, und eine weitere durch 
das Saaletal zur Elbe angestrebt. Für ersteren Schiffahrtsweg liegt bereits ein Entwurf des Bau- 
rat Contag in Berlin vor, durch den die technische Durchführbarkeit nachgewiesen ist. Diese 
Kanäle, welche Bayern an die deutschen Nordseehäfen anschliessen würden, werden aber jedenfalls 
erst nach der Verwirklichung des Donau-Rheinweges ernstlich in Frage kommen. 
Die Donau-Rheinverbindung durch Bayern würde, wie der besprochene Schiffahrtsweg 
über den Neckar zur Donau, bei entsprechendem Ausbau der Donauwasserstrasse zugleich einen 
4) Gugenhan und Eberhardt. Die württembergischen Grossschiffahrtspläne — Stuttgart 1908. S. a. 
Marquard. Der wirtschaftliche Wert von Wasserstrassen in Württemberg — Stuttgart 1909. 
5) Steller. Der wirtschaftliche Wert einer bayerischen Grossschiffahrtestrosse 1908. 
*) Zeitschrift für die gesamte Wasserwirtschaft 1911 8. 297.
	        
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