Bernhard Huldermann, Seeschiffahrt. 397
dessen Erfahrungen sie früher immer wieder sich zunutze zu machen bestrebt sein musste, un-
abhängig gemacht hat, beweist auch die Tatsache, dass gegen Schluss des Jahres 1911 auf eng-
lischen Werften nur ganz wenige Fahrzeuge für deutsche Rechnung im Bau waren, auf deutschen
Werften dagegen eine ungewöhnlich grosse Tonnage. Nach einer privaten Schätzung betrug der
Wert der von deutschen Werften im Laufe des Jahres 1911 abgelieferten und nach Schluss 1911
noch abzuliefernden Seeschiffe rund 287 Millionen Mark! Das ist eine gewaltige Summe, die durch
die Vermittlung von Schiffahrt und Schiffbau der deutschen Nationalwirtschaft zugute
kommt.
Über die äussere Entwicklung des deutschen Schiffbaus orientiert die im nächsten Abschnitt
wiedergegebene Statistik.
V. Statistik.
Statistisch die Bedeutung der Schiffahrt zu erfassen, ist völlig unmöglich. Die Grund-
lage der amtlichen Statistiken ist die Netto-Registertonne, die den Rauminhalt der Schiffe
nach Vornahme von Abzügen für Maschinen- und andere Räume angibt, Abzüge, die sowohl
in den einzelnen Ländern verschieden, als auch mit den Fortschritten der Technik verändert. worden
sind. Ein markantes Beispiel der Verschiedenheit ist z. B. die Tatsache, dass infolge der anders-
artigen belgischen Vermessung der Antwerpener Schiffsverkehr in der Statistik um 15—18 % zu
hoch erscheint im Vergleich zu dem der deutschen Häfen. (Das Nähere siehe Vogel a. a. O.). Die
internationale Vergleichbarkeit der amtlichen Schiffsstatistik ist dadurch empfindlich beeinträch-
tigt. Private Statistiken, wie die von Lloyd’s Register, legen die Brutto-Registertonne zugrunde,
die einen erheblich besseren Vergleichsmassstab ergibt, weil sie wenigstens die Schiffe mit ihrer
vollen Raumgrösse aufführt und das richtige Verhältnis zwischen Dampfern und Segelschiffen
herstellt, bei welch’ letzteren praktisch der Brutto-Raumgehalt dem Netto-Raumgehalt gleich ist
Für Schiffe, die nur Fracht befördern, gibt die sogenannte Tragfähigkeits-Tonne (im Englischen.
ton deadweight) einen guten Massstab; sie gibt an, was das Fahrzeug in Tonnen Gewicht tragen kann
Indess spielt in der deutschen Reederei eine sehr grosse Rolle der Dampfer, der nicht nur
Fracht, sondern auch Passagiere fährt, und dessen wirtschaftlicher Wert daher erheblich
höher ist, aber durch die Mittel der Statistik nicht erfasst werden kann. Da der wirtschaft-
liche Wert, der mit dem geschäftlichen Nutzen des Schiffes übereinstimmt, an dem Baupreis
annähernd ‚gemessen werden kann, gibt folgender Vergleich einen Anhalt für die Unzulänglichkeit
er Statistik:
Brutto-Reg. Tous Netto-Reg. Tons Baupreis
Schnelldampfer . - 2 2 2 2 00. 16 500 5 200 12 Mill. M.
Erstklassiger Fracht- und Passagierdampfer 24 600 14 800 4 0.
Zweitklassiger Fracht- und Passagierdampfer 13 300 8500 43 5.
grosser Frachtdampfer . . .». . 2... 8000 5.000 20 5»
Es ist also klar, dass für die wirtschaftliche Bewertung der grossen Passagierdampfer,
deren Baupreis jetzt übrigens mit weiter gestiegener Grösse bis auf 25—30 Millionen Mark
für das einzelne Fahrzeug hinaufgegangen ist, der Raumgehalt keinen auch nur annähernd
richtigen Vergleichsmassstab gibt. Hinzu kommt weiter, dass der Verdienst des Schiffes
natürlich auch von der Zahl der Reisen abhängt, die es in eine bestimmten Zeit machen
kann, und die ihrerseits durch die Länge des Reisewegs, die Geschwindigkeit des Schiffes,
und die Dauer des Aufenthaltes im Hafen bestimmt wird. Vollends getrübt wird ein
internationaler Vergleich dadurch, dass die Zusammensetzung der Handelsflotten der
einzelnen Länder sehr verschieden ist, die deutsche Handelsflotte z. B. vergleichsweise sehr
viel mehr hochwertige Schiffe enthält als die fast aller anderen Länder. Mit allen diesen
Vorbehalten (die auch die von Vogel a. a. O. empfohlene Annahme der Tragfähigkeits-
Tonne als Grundlage für die Statistik durchaus nicht völlig aufheben würde) und unter
Bezugnahme auf die oben angeführten periodischen statistischen Veröffentlichungen seien
zur Verdeutlichung des Wachstums der wichtigsten Handelsflotten folgende Ziffern nach