302 Bernhard Harıns. Handel.
Al. Die Unternehmungslormen.
Die Form einer Unternehmung ist materiell bedingt durch die Besitzverhältnisse. Je nach-
dem ob die Unternehmung einem Einzelnen, einer Gesellschaft von Privatpersonen oder einem
öffentlich rechtlichen Verband gehört, entsteht eine bestimmte, in juristische Normen gekleidete
Form der Unternehmung.
Die einfachste und allgemeinste Form der Unternehmung ist die Einzelunter-
nehmung. Ein Einzelner (eine physische Person) ist der Unternehmer. Dieser trägt allein
die juristische und wirtschaftliche Verantwortung und haftet mit seinem ganzen Vermögen für
die Verbindlichkeiten der Unternehmung.
Neben der Einzelunternehmung gibt es gesellschaftliche Unternehmungsformen:
Offene Handelsgesellschaft, Stille Gesellschaft, Kommanditgesellschaft, Kommanditgesellschaft
auf Aktien, Aktiengesellschaft, Genossenschaft, Gesellschaft m. b. H., Gewerkschaft etc. Die
rechtliche Struktur der gesellschaftlichen Unternehmungsformen ist im 48. Abschnitt dieses Hand-
buches näher dargelegt worden. Hier mag es deshalb genügen, in einer statistischen Zusammen-
stellung die Verbreitung der genannten Unternehmungsformen im deutschen Handelsgewerbe. zu
zeigen, wobei lediglich die Gehilfenbetriebe nachgewiesen werden, da alle Alleinbetriebe ausnahms-
los Einzelunternehmungen sind.
i i al ri Forai Kommandit- :
Zahl a or Einzelinhaber „Alohre al en Vereine (es Al schaften Aktiengesellschaften
1907 439 320 395 225 27026 1230 662 2 768
1895 262 514 237 191 20 221 641 396 990
Kommanditgesell-_ Eingetragene Gesellschaften mit Inuungen „bergrechtl. andere private
schaft. auf Aktien Genossenschaften beschr. Haftung ECN Gewerkschaft. Unternehmungen
1907 144 4 958 3 809 16 42 71
1895 103 913 345 10 15 80
Nehmen wir die Alleinbetriebe hinzu, so ergeben sich im Jahre 1907 713 525 Einzelunter-
nehmungen und nur 44095 Unternehmungen anderer Art.
IV. Gesetzliche Beschränkung des freien Wettbewerbs im
Handelsgewerbe.,
Im Handelsgewerbe herrscht, wie im Gewerbe überhaupt, grundsätzlich Gewerbefreiheit.
Im allgemeinen Interesse sind hiervon jedoch Ausnahmen statuiert, die neuerdings sogar zugunsten
einzelner Erwerbskreise durch Gesetz oder Verordnung Platz greifen. Die wichtigsten der z. Zt.
bestehenden Bestimmungen sollen hier kurz angeführt werden.
1. Der Kleinhandel mit Branntwein, Spiritus und Bier. Nach
$ 33 der Gewerbeordnung bedarf ebenso wie der Betrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft auch
der Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus besonderer Erlaubnis.
2. Der Handel mit Arzneimitteln und Giften. Durch Kaiserliche
Verordnung coll gemäss $ 6 der Gewerbeordnung bestimmt werden, welche Apothekerwaren dem
freien Verkehr zu überlassen sind. Eine solche Verordnung ist unter dem 22. Oktober 1901 er-
lassen worden. (Reichsgesetzblatt 380). Der Grosshandel wird davon nicht berührt. Der Betrieb
einer Apotheke setzt reichsgesetzlich die Approbation voraus. Die übrigen Vorschriften über
das Apothekenwesen stehen den Bundesstaaten zu, die ausnahmslos die Konzessionspflicht durch-
geführt haben. — Der Handel mit Drogen und chemischen Präparaten ist zu untersagen, wenn die
Handhabung des Gewerbebetriebs Leben und Gesundheit von Menschen gefährdet. ($35 II der GO.)
3. Verbot des Handels mit bestimmten Gegenständen. Wenn
Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in bezug auf diesen Ge-
werbebetrieb dartun, sind zu untersagen: der Trödelhandel, der Kleinhandel mit Garnabfällen oder
Dräumen von Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen, der Handel mit Dynamit oder anderen Spreng-
stoffen und der Handel mit Losen von Lotterien und Ausspielungen, oder mit Bezugs- und Anteil-
!) Es handelt sich um Gesamtbetricbe, d.h. Filialen etc., die sonst als Hauptbetriebe
figurieren, dem Unternehmen zugerechnet, dem sie angehören.