Bernhard Harms, Handel. 305
diese Bestimmungen über ihren engeren Zweck hinaus nicht selten im wirtschaftspolitischen Sinne
(Schutz der Landwirtschaft vor ausländischer Konkurrenz) gehandhabt.
Unmittelbar im agrarischen Interesse ist das Gesetz über den Verkehr mit Ersatzmitteln von Butter,
Margarine, erlassen worden. Nachdem ein erstes Gesetz schon im Jahre 1887 herauskam, der Erfolg aber nicht
befriedigte, weil der Absatz von Margarine ständig zunahm, wurde im Jahre 1897 ein neues Gesetz erlassen. (RGBl.
475, Ausführungsbest. RGBI. 591.) Die Geschäftsräume und sonstigen Verkaufsstellen, einschliesslich der Markt-
stellen, in denen Margarine, Margarinekäse oder Kunstspeisefett gewerbsmässig verkauft oder feilgeboten wird,
müssen an in die Augen fallender Stelle die deutliche, nicht verwischbare Inschrift „Verkauf von Margarine,“
„Verkauf von Margarinekäse,“ „Verkauf von Kunstspeisefett‘‘ tragen. (Folgt die Definition dieser Erzeugnisse.)
Alle Gefässe und äusseren Umbhüllungen, in denen Margarine etc. verkauft werden, müssen eine entsprechende
Aufschrift tragen. Die Gefässe müssen ausserdem mit einem stets sichtbaren bandförmigen Streifen von roter
Farbe versehen sein. — Die Vermischung von Butter oder Butterschmalz mit Margarine oder andern Speisefetten
zum Zwecke des Handels mit diesen Mischungen ist verboten. (Gilt bei bestimmten Mischungs-Verhältnissen
auch für die Verwendung von Milch oder Rahm.) — In Räumen, woselbst Butter und Butterschmalz gewerbsmässig
hergestellt, aufbewahrt, verpackt oder feilgeboten wird, ist die Herstellung, Aufbewahrung, Verpackung oder das
Feilhalten von Margarine oder Kunstspeisefett verboten. (Gilt auch für Margarinckäse.) Diese Bestimmung findet
in Orten unter 5000 Einwohnern für den Kleinhandel keine Anwendung, jedoch müssen die Margarineerzeügnisse
innerhalb der Verkaufsräume in besonderen Vorratsgefässen und an besonderen Lagerstellen aufbewahrt werden. —
Margarine und Margarinekäse, welche zu Handelszwecken bestimmt sind, müssen einen die allg. Erkennbarkeit.
bei Ware mittelst chemischer Untersuchung erleichternden. Beschaffenheit und Farbe derselben nicht schädigen-
den Zusatz enthalten. Durch Bekanntmachung des Bundesrats muss dieser Zusatz bei Margarinebutter in 10%.
der Margarinekäse in 5%, Sesamöl bestehen. Weitere Vorschriften beziehen sich aufdie Herstellung von Margarine.
9. Der Verkehr mit künstlichen Süssstoffen. Durch Gesetz vom
7. VII. 1902 (RGBl. 253) — Sacharingesetz — ist es verboten, Süssstoff herzustellen, ihn Nahrungs-
mitteln zuzusetzen, Süssstoffe und süssstoffhaltige Nahrungsmittel zu verkaufen oder aus dem
Auslande einzuführen. Ausnahmen gelten nur für die Apotheken, die ihren Bedarf an Sacharin,
dessen Absatzgebiet (Ärzte, Heilanstalten etc.) abgegrenzt ist, von einer privilegierten, unter Auf-
sicht stehenden Aktiengesellschaft zu beziehen haben.
Der unlautere Wettbewerb. Dem einzelnen muss in der Anpreisung und
Vertreibung seiner Produkte weitester Spielraum gewährt werden. Dieser Grundsatz einer im
Sinne freier Konkurrenz aufgestellten Gewerbeordnung hat aber nur insoweit Gültigkeit, als er
nicht gegen die obersten Postulate 'm Gewerbeleben: gegen die Gebote von Treu und Glauben ver-
stösst. Die Verschärfung des wirtschaftlichen Wettbewerbs hat es aber mit sich gebracht, dass
im rücksichtslosen Kampf um den Absatz diese Grenzen vielfach überschritten werden und hier-
durch den in ihrer Geschäftsgebarung weniger Skrupellosen empfindlicher Schaden zugefügt wird.
Dementsprechend hat auch hier die Gesetzgebung mit zum Teil sehr einschneidenden Massnahmen
eingegriffen. In Europa hat sich die einschlägige Rechtsbildung im Anschluss an das französische
Recht entwickelt. Im code civil (Art. 1382) heisst es nämlich: ‚‚Tout fait quelconque a ’homme
qui cause a autrui un dammage oblige celui, par la faute duquel est arriv& & le reparer.“ Auf dieser
Basis hat die französische Jurisprudenz die Lehre von der „coucurrence deloyale‘“ ausgebildet.
Später sind dann noch besondere Spezialgesetze hinzugekommen. Dieses französische Vorbild ist
auf dem Kontinent nachgeahmt worden, indem zunächst überall der sog. „Markenschutz“
eingeführt wurde, dem später weitergehende Gesetze an die Seitetraten. — In Deutschland beruht
der gegenwärtige Rechtszustand in der Hauptsache auf dem „Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb“ vom 7. Juni 1909 (RGBl. 499), das ergänzt wird durch das Gesetz zum Schutze
von Warenbezeichnungen vom 12. V. 1894, die $$ 17 ff. und 37 des Handelsgesetzbuches und durch
die $$ 12, 824, 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Von der Besprechung des Patentwesens, dem
Musterschutz und dem Markenschutz soll hier Abstand genommen werden, weil es sich dabei im
wesentlichen um den Schutz der Produktion handelt. Nur insoweit der selbständige Handel in
Frage kommt, soll das Wichtigste mitgeteilt werden.
Ganz allgemein bestimmt $ 1 des Ges. über den unlauteren Wettbewerb: „Wer im geschäftlichen Ver-
kehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstossen, kannauf Unter-
lassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden. (Generalklausel.) Im übrigen erstrecken die ein-
schlägigen Bestimmungen sich in der Hauptsache auf den Reklameunfug, die Quantitätsverschleierungen, die
Kreditschädigung, den Firmenmissbrauch und die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses. — Wer in öffentlichen
Handbuch Jor Poliük. 11. Auflage. Band 11. 20