Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

308 Bernhard Harnıs, Handel. 
  
erörtert worden, wurde aber erst nach sehr umfangreichen Erhebungen und Vorarbeiten durch die 
Novelle vom 1. VI. 1891 der Lösung entgegengeführt (RGBl. 261). Für das Handelsgewerbe, das 
uns hier allein zu beschäftigen hat, wurde das Gesetz durch Verordnung vom 28. III. 92 (RGBl. 339) 
am 1. Juli 1892 eingeführt. (Jetzt GO. $$ 41a, 55a, 105 a—105i.) 
Gebhilfen, Lehrlinge und Arbeiter dürfen am 1. Weihnachts-, Oster- und Pfingsttag überhaupt nicht, im 
übrigen an Sonn- und Festtagen nicht länger als 5 Stunden beschäftigt werden. Durch statutarische Bestimmung 
einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes kann diese Beschäftigung für alle oder einzelne Zweige 
des Handelsgewerbes auf kürzere Zeit eingeschränkt oder ganz untersagt werden. Für die letzten vier Wochen vor 
Weihnachten sowie für einzelne Sonn- und Festtage, an welchen örtliche Verhältnisse einen erweiterten Geschäfts- 
verkehr erforderlich machen, kann die Polizeibehörde eine Vermehrung bis auf 10 Stunden zulassen. 
Alle die zum Schutze der im Handel beschäftigten Personen erlassenen Bestimmungen gelten mit der 
Massnahme, dass offene Verkaufsstellen zu den Stunden, in denen Gcehilfen, Lehrlinge und Arbeiter nicht 
beschäftigt werden dürfen, den Verkauf einstellen müssen. Die Arbeitsrube bedeutet danach ein Stillegen 
des Geschäftsüberhaupt und trifft mithin auch den Prinzipal, soweit der Verkehr mit dem Publikum in Frage kommt. 
— Es bestehen mannigfache Bestrebungen, die Sonntagsruhe weiter auszudehnen, also vor allem die erlaubten 
5 Stunden — die übrigens für sehr viele Handelszweige schon erheblich verkürzt sind — zu vermindern. Es be- 
steht ein internationaler Sonntagsschutzkongresss, in Deutschland ausserdem eine im Jahre 1907 gegründete 
Zentralstelle zur weiteren Förderung der Sonntagsruhe sowie der „Käuferbund für Deutschland‘, der das kaufende 
Publikum anhalten will, nicht mehr am Sonntage Einkäufe vorzunehmen. In Deutschland sind als Triebkraft 
auch besonders die Handlungsgehilfenverbände (s. u.) wirksam. 
Als ein wesentlicher Misstand war im Handelsgewerbe die Tatsache des Offenhaltens der 
Läden bis in die späten Abend- oft Nachtstunden je länger desto mehr empfunden worden. Da 
die einzelnen Prinzipale mit Rücksicht auf die Konkurrenz Abhilfe ohne finanzielle Verluste nicht 
schaffen konnten, wurde auch hier die Gesetzgebung in Anspruch genommen. Die Materie wurde 
geregelt durch eine Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Okt. 1900 (RGBI. 968 ff.) GO.8$ 139 c—139 g. 
In offenen Verkaufsstellen und den dazu gehörigen Schreibstuben (Kontore) und Lagerräumen ist den 
Gebilfen, Lehrlingen und Arbeitern nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit 
von mindestens 10 Stunden zu gewähren. In Gemeinden von mehr als 20 000 Einwohnern muss die Ruhezeit 
mindestens 11 Stunden betragen. Die gleiche Stundenzahl kann durch Ortsstatut für kleinere Ortschaften vorge- 
schrieben werden. Innerhalb der Arbeitszeit haben die Gehilfen Anspruch auf eine angemessene Mittagspause. 
Wer die Haupimablzeit ausser dem Hause einnimmt, muss hierfür mindestens ein und eine halbe Stunde haben. 
Unter gewissen Verhältnissen sind Ausnahmen zulässig. ($ 139d GO.) — Von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens 
müssen offene Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein. Ausnahmen sind zulässig für unvor- 
bergeschene Notfälle, an 40 von der Ortspolizeibehörde zu bestimmenden Tagen, jedoch nur bis 10 Uhr und endlich 
für Orte unter 2000 Einwohner sowie in ländlichen Gemeinden, sofern in denselben der Geschäftsverkehr sich 
vornehmlich auf einzelne Tage der Woche oder auf einzelne Stunden des Tages beschränkt. Während der Zeit, 
wo die Verkaufsläden geschlossen sein müssen, ist das Feilbieten von Woren auf öffentlichen Wegen, Strassen, 
Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder olıne vorherige Bestellung von Haus zu Haus im stehenden Ge- 
werbebetrieb sowie im Gewerbebetrieb im Umherziehen verboten. Ausnahmen können auf Grund einer Bundes- 
ratsverordnung von der Ortspolizeibehörde zugelassen werden. — Auf Antrag von mindestens zwei Dritteln der 
beteiligten Geschäftsinhaber (das heisst der Abstimmenden, s. u.) kann für eine Gemeinde oder mehrere örtlich 
unmittelbar zusammenhängende Gemeinden durch Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung 
der Gemeindebehörden für alle oder einzelne Geschäftszweige angeordnet werden, dass die offenen Verkaufs- 
stellen während bestimmter Zeiträume oder während des ganzen Jahres auch in der Zeit zwischen 8 und 9 Uhr 
abends und zwischen 5 und 7 Uhr morgens für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein müssen. Die Abstim- 
mung muss erfolgen, wenn ein Drittel der beteiligten Geschäftsinhaber es beantragt. 
V. Die im Handelsgewerbe beschäftigten Hilfspersonen. 
Die im Handelsgewerbe beschäftigten zahlreichen Hilfspersonen zerfallen in zwei Kategorien: 
die unqualifizierten Arbeiter und das kaufmännische Personal. Erstere haben gröbere Arbeiten, 
wie das Packen und Austragen der Waren, also Handlangerdienste zu leisten, während letztere den 
Chef bei der spezifischen Handelstätigkeit zu unterstützen haben. Von ihnen, die zumeist Handlungs- 
gehilfen oder Kommis (neuerdings auch Privatbeamte) genannt werden, soll hier etwas ausführ- 
licher gesprochen werden. 
Im rationellen modernen grösseren Handelsbetrieb ist heute eine weitgehende Arbeitsteilung 
zur Durchführung gebracht. Der Handlungsgehilfe übt hier die genau umgrenzten Funktionen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.