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2 Martin Weigert, Die Privatbeamtenfrage.
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stellung das Durchgangsstadium zur Selbständigkeit ist, und schliesslich auch die sich nicht so
schroff gegenüberstehenden politischen Anschauungen haben keine so grossen Klassengegensätze
zwischen beiden Parteien aufkommen lassen, wie sie für das Verhältnis des Unternehmertums
zur Arbeiterschaft charakteristisch geworden sind.
3. Die Privatbeamten lassen sich nach ihrer Vorbildung und dem Charakter ihrer Tätigkeit
in folgende Berufsgruppen scheiden: 1. Kaufmännische Angestellte, 2. Technische
Angestellte, 3. Landwirtschaftliche Beamte, 4. Bürobeamte.
Zur Gruppe derHandlungsgehilfen zählen: Kontorpersonal, Verkäufer, Lageristen,
Angestellte im Fracht- und Exportgeschäft, Buchhandlungsgehilfen, Handlungsreisende, Bank-
beamte, Versicherungsbeamte, Angestellte in \Warenhäusern und Konsumvereinen etc.
Zuden technischen Angestellten zählen:die Maschinen- und Elektrotechniker,
Bautechniker, Chemiker, Zuckertechniker, Werkmeister, Bergbeamte, seemännische Angestellte,
Seemaschinisten, Angestellte bei Privateisenbahnen, Brenn-, Brau- und Walzmeister, Faktoren,
Zeichner, Zuschneider etc. \ .
. Unter die landwirtschaftlichen Beamten werden gerechnet: Güterbeamte,
Forstbeamte, Trichinen- und Fleischbeschauer etc.
. . Unter Bürobeamten werden verstanden: Rechtsanwaltsbeamte, Beamte der Be-
rufsgenossenschaften, Krankenkassen usw. Bürobeamte der Handels-, Handwerks-, Landwirtschafts-
kammern, der Vereine, Kartelle etc. —
Das neue „Versicherungsgesetz für Angestellte‘‘ vom 20. XII. 1911 (siehe letzten Absatz)
hat noch folgende Kategorien in den Kreis der zu versichernden Privatbeamten einbezogen:
Gehilfen in Apotheken, Bühnen- und Orchestermitglieder, Lehrer und Erzieher an privaten
Instituten sowie gehobene oder höhere Angestellte auf deutschen See- oder Flussfahrzeugen
(Kapitäne, Offiziere, Verwaltungsbeamte etc.)
4. Die wirtschaftliche Lage der grossen Masse der Angestellten in diesen Gruppen
ist keine sehr verschiedene, während in den einzelnen Gruppen selbst die Einkommensverhältnisse
je nach Leistung, Erfahrung, Charakter der Stellung oder Dienstalter erhebliche Unterschiede auf-
weisen. Ein annäherndes wenn auch nicht durchaus zuverlässiges Bild von der pekuniären Lage
der Privatangestellten liefert die Regierungsdenkschrift von 1907 „über die im Oktober 1903 an-
gestellte Erhebung“. Die Resultate dieser Erhebung, die sich auf ca. 160 000 Privatbeamte er-
streckt, haben ergeben, dass bei den männlichen Personen die Einkommensstufe von 1800 bis
2100 Mark mit 16,22% am stärksten besetzt ist; ihr folgt die Stufe von 1500 bis 1800 Mark mit
15,9%, dann 1250 bis 1500 Mark mit 12,37%, während 11,49% der Stufe von 1000 bis 1250 Mark
und fast ebensoviel (11,43%) der Stufe 2100 bis 2400 Mark angehören. 7,69% haben ein Einkommen
von über 3600 Mark. Bei den weiblichen Personen gehört die höchste Zahl der ersten Stufe unter
1000 Mark m't 38,86% an. Dann folgt die Stufe 1000 bis 1250 Mark mit 29,45%, dann die Stufe
1250 bis 1500 Mark mit 14,48%, während 17,21°/, ein Einkommen von über 1500 Mark beziehen.
— Über die Einkommensverhältnisse der Angestellten in den einzelnen aufgeführten Berufsarten
sind ausser der amtlichen Erhebung von 1903 eine Anzahl teils grösserer, teils kleinerer Unter-
suchungen seitens der einzelnen Berufsvereine veranstaltet worden. Auf Veranlassung der Ge-
sellschaft für soziale Reform ist dieses Material von Dr. H. E. Krüger zusammengestellt, durch
direkte Rundfragen bei den Berufsvereinen ergänzt und vor kurzem (1910 und 1911) in den Heften
30 bis 33 der Schriften der Gesellschaft für soziale Reform veröffentlicht worden. Näher hierauf
einzugehen verbietet der Rahmen dieser Darstellung.
5. Der gewaltige Wettbewerb der weit über den Bedarf gewachsenen Zahl der kaufmännischen
und industriellen Unternehmungen hat vielfach zur Folge gehabt, dass die Ansprüche an die
Leistungsfähigkeit der Angestellten in den letzten Dezennien beträchtlich erhöht worden sind.
Eine Erscheinung, die überall dort zu Auswüchsen geführt hat, wo die gegenseitige scharfe Kon-
kurrenz der Unternehmungen die gedeihliche Entwicklung des einzelnen Betriebes gehindert hat.