Riesser, Die Banken-Konzentration in Deutschland, ihre Vorteile u. Gefahren. 337
3. Die Privatnotenbanken,
Das Ziel der deutschen Notenbankgesetzgebung, d. h. die Ausmerzung der privaten Noten-
banken, ist heute, wo von den 32 ehemaligen Privatnotenbanken nur noch 4 existieren, wohl
im allgemeinen erreicht. Immerhin besitzen heute noch vier private Banken die Befugnis zur Noten-
ausgabe, und es scheint, als ob diese vier Banken in absehbarer Zeit nicht daran denken auf ihr Pri-
vileg zu verzichten. Soll das Reich ihnen gegenüber von dem ihm zustehenden Kündigungs-
rechte Gebrauch machen ? Schwerlich kann zugegeben werden, dass der Wegfall der Privatnoten-
banken eine „kaum ausfüllbare Lücke im Verkehrsleben‘ hervorrufen würde, wie dies einer der
hervorragendsten Bankpraktiker, Stroell, in seiner Schrift über Gegenwart und Zukunft des
deutschen Notenbankwesens 8.21 behauptet. Hat dasdeutsche Wirtschaftsleben die Ausmerzung
don 28 Privatnotenbanken überstanden, so ist kaum einzusehen, weshalb gerade die noch bestehen-
aen vier Notenprivilegien eine unbedingte Notwendigkeit für das Wirtschaftsleben bilden sollten.
Gewiss sind die Nachteile, die das sogenannte gemischte System mit sich bringt, nicht allzu erheb-
lich. Auch mag die blosse Tatsache, dass die Existenz von vier Privatnotenbanken neben dem
Zentralnoteninstitut heute völlig unmotiviert erscheint, dass diese Banken wie ein Schönheitsfehler
in der Organisation des deutschen Bankwesens wirken, allein noch keinen zureichenden Grund ab-
geben, störend in einmal bestehende Verhältnisse einzugreifen. Aber es sprechen doch nicht unge-
wichtige Gründe für die Aufhebung des Privilegs. Einmal kann ein mit den deutschen Notenver-
hältnissen nicht vertrauter Ausländer in die wenig angenehme Lage kommen, dass ihm die in Süd-
deutschland eingetauschten Privatbanknoten jenseits des Mains sogar von öffentlichen Kassen
zurückgegeben werden. Vor allem aber ist es die RücksichtaufdieZentralnoten-
bank, die eine Aufhebung nahe legt. Die frühere Durchkreuzung der Diskontpolitik der Reichs-
bank durch Bewilligung des Privatdiskonts ist ja allerdings den Notenbanken seit der Novelle von
1899 abgeschnitten. Aber Kollisionen sind nach wie vor unvermeidlich. Wenn das Reich von der
Zentralbank verlangt, dass sie ihre Bankpolitik ohne Rücksicht auf den eigenen Nutzen, nur nach
Gesichtspunkten des öffentlichen Wohls einrichtet, so ist es nur folgerichtig, wenn anderen Insti-
tuten die Möglichkeit genommen wird, die zum Wohle der Allgemeinheit getroffenen Massnahmen
zu durchkreuzen. Dass die Kündigung des Privilegs in der denkbar schonendsten Form zu er-
folgen hätte, ist selbstverständlich.
b) Die Banken-Konzentration in Deutschland,
ihre Vorteile und Gefahren.
Von
Geh. Justizrat Prof. Dr. Riesser, Berlin.
Literatur:
S. bei Riesser, Die deutschen Grossbanken und ihre Konzentration, 4. Aufl. 1912, S. 489 Anm. 1.
I. Banken-Konzentration in Deutschland.
Die Konzentration der Kapitalien, Kräfte, Betriebe und Unternehmungen ist nicht ein
Kind der Neuzeit und nichts dem Bankwesen Eigentümliches. Sie zeigt sich vielmehr überall
gleichzeitig mit den ersten Anfängen des industriellen Grossbetriebs, welcher dem
Kapitalismus stets Tür und Tor öffnet. Die Konzentration lässt sich verfolgen ge-
legentlich der Aufsaugung von Kapitalien, Unternehmungen und Arbeitskräften durch die
Fendbach der Politik. I. Auflage. Band II. 22