349 Riesser, Die Banken-Konzentration in Deutschland, ihre Vorteile u. Gefahren.
b) Privatwirtschaftliche Vorteile.
Durch die genaue Übersicht, welche die Grossbank durch Filialen, Agenturen, Kom-
manditen, Tochter- und Konzernbanken und Depositenkassen über die Lage der Gesamtwirtschaft
im In- und Ausland in stets grösserem Masse gewinnt, ist sie auch in der Lage, die Emissions-
und Absatz-Möglichkeit für die von ihr für eigene oder fremde Rechnung emittierten
staatlichen, industriellen, kommerziellen und eigenen Werte genau beurteilen zu können. Sie
vermag also danach mit geringeren Irrtumsgrenzen ihre Entschliessungen auf diesem Gebiet zu
fassen und die Werte in sicherer Kundschaft zu dauernder Kapitalanlage fest zu plazieren.
Sie kann das laufende Geschäft, welches auch in ungünstigen Zeiten eine an-
gemessene Höhe der Dividende verbürgt, und die Heranziehung fremder Gelder im Wege organi-
scher Pflege des Depositengeschäfts, welche eine gewisse Stetigkeit der Dividenden sichert,
systematischer pflegen. Damit steigert sie irre Bewegungsfreiheit auf dem Geldmarkt,
ihren eigenen Kredit und ihre Interventionskraft zugunsten der Klientel. Sie ist dann aber auch
in der Lage, der Kundschaft zuverlässige Informationen und Erleichterungen jeder Art, namentlich
in ihren Anlage-, Wechsel-, Devisen- und Zahlungsbedürfnissen, zu gewähren, sie an den Scheck-
verkehr zu gewöhnen, durch den auch kleine Beträge, die an sich zinslos liegen bleiben würden,
durch Vermittelung der Bank produktiv werden. Dadurch wird, da bei bankmässiger Vermittelung
der Scheckverkehr immer nur der Durchgangsverkehr zum Überweisungs- und Abrechnungsver-
kehr sein wird, der Bargeldumlauf im Zahlungsverkehr vermindert und der sonach im Zahlungs-
verkehr frei werdende Betrag zur Verfügung des Kreditverkehrs gestellt.
Zu diesen privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten der Konzentrationsentwicklung im Bank-
wesen gesellt sich aber nicht etwa eine Verringerung der Geschäfts- und Verwal-
tungskosten, die man an sich erwarten würde. Vielmehr sind diese Generalunkosten, bisher
wenigstens, fast beständig gestiegen, und zwar bei sämtlichen deutschen Kreditbanken (mit einem
Kapital von mindestens 1 Million M.) von 12,4 Millionen M. im Jahre 1883 auf 165,2 Millionen M.
a. 1910; bei den 6 Berliner Grossbanken betrugen sie im Jahre 1910: 30,7 % des Bruttogewinns.
Die Gründe liegen einerseits darin, dass die angegliederten Unternehmungen meist selbstän-
dig blieben, und andererseits darin, dass es in der Regel lange Zeit dauert, bis die Filialen, Agen-
turen, Depositenkassen und Tochtergesellschaften sich aus eigener Kraft erhalten können.
2. Gefahren.
Von den Gefahren der Konzentrationsentwicklung ist zunächst die naheliegende
Gefahr zu erwähnen, dass im Emissions-Verkehr, was namentlich für die staatlichen
Anleihen bedenklich wäre, eine gewisse Monopolisierung durch die Grossbanken und
deren Gruppen eintreten könnte. Diese Gefahr liesse sich allerdings, wie in Frankreich, auch bei
uns durch ein festes Syndikat von selbständig gebliebenen Provinzbanken, wenn auch nicht aus-
schliessen, so doch wesentlich vermindern.
Eine durchaus nicht geringere Schattenseite der Konzentrationsentwicklung besteht darin,
dass die Zweigstellen, Kommanditen und Tochtergesellschaften sowie die durch Interessengemein-
schaft verbundenen Institute Geld- und Kreditsanprüche an die Zentralbank, noch dazu vielleicht
in kritischen Zeiten, stellen, die unbequem werden könnten, und zwar ohne dass die zweckmässige
Verwendung der Gelder und Kredite stets ausreichend kontrolliert werden kann.
Mit solchen Ansprüchen, die den auch an die Zentrale gestellten Anforderungen der fieber-
haft vorwärts drängenden Industrie und des Handels zu einem wesentlichen Teil ihr Dasein ver-
danken, hängt zugleich die im Verlauf der Konzentrationsbewegung festzustellende, bis 1908 fast
ständig gewachsene Verschlechterung sowohlderBanken-Liquidität wie
der Bilanz-Klarheit und Übersichtlichkeit die Überspannung der
Kredite sowie dr Ansprüche an die Reichsbank, die Versteifung
des Status und de Erschwerung der Diskontpolitik der letzteren eng
zusammen.