56. Abschnitt.
Währung.
Von
Geh. Oberregierungsrat Dr. Wilhelm Lexis,
o. Professor der Staatswissenschaften an der Universität Göttingen.
Literatur:
Knies, Das Geld, Berlin 1873, — Lexis, Erörterungen über die Währungsfrage, Leipzig 1881. —
Derselbe, Art. Doppelwährung, Edelmetalle, Goldwährung, Parallelwährung, Silberwährung im Handwörterbuch der
Staatsw. — Helfferich, Die Reform des deutschen Geldwesens nach der Gründung des Reiches, 2 Bde., Leipzig
1898. — Derselbe, Das Geld, 2. Aufl., Leipzig 1910. — Knapp, Staatliche Theorie des Geldes, Leipzig 1905.
Unter der Bezeichnung Währungsgeld versteht man diejenigen Geldarten, denen durch die
Gesetzgebung unbeschränkte Zahlungskraft zu ihrem Nominalwert gegen Jedermann zuerkannt ist.
Es ist nicht prinzipiell erforderlich, dass diese Geldarten ihren vollen Wert in ihrem Metallgehalt
in sich tragen; die französischen Fünffrankenstücke sind Währungsgeld, obwohl ihr Silberwert
jetzt kaum 40 Prozent ihres Nominalwertes beträgt und dasselbe war bei den deutschen Talern in
der letzten Periode ihrer Existenz bis Oktober 1907 der Fall. Das Währungsgeld kann sogar als
reines Kreditgeld durch uneinlösliche Papierscheine mit Zwangskurs dargestellt werden. Einlös-
liches Papiergeld dagegen, auch wenn es volle gesetzliche Zahlungskraft besitzt, ist nicht als selbst-
ständiges Währungsgeld, sondern als Vertreter von solchem anzusehen, und dasselbe gilt von den
ebenfalls mit gesetzlicher Zahlungskraft ausgestatteten Noten der Banken von England und Frank-
reich und der Deutschen Reichsbank. Die Bezeichnung „Währung“ wird vielfach speziell auf den
Stoff bezogen, aus dem das Währungsgeld hergestellt ist und demnach spricht man von Goldwähıung-
Silberwährung, gemischten Währungen, Papierwährung. Die in der neueren Zeit so lebhaft um-
strittene „Währungsfrage‘‘ betraf lediglich die Art, wie Gold und Silber als Währungsmetalle zu
verwenden seien. Die Goldwährungsmünzen werden von den meisten Staaten in zwei, von einigen
auch in drei Sorten von verschiedenem Nennwert geprägt. Bei den Silberwährungsmünzen war
früher die Stückelung viel mannigfaltiger, und sie ging z. B. in Frankreich bis auf 20 Centimes herab.
In der neueren Zeit aber haben die kleineren Silbermünzen und in den Goldwährungsländern auch
die grossen allgemein den Charakter als Scheidemünzen erhalten, d. h. sie haben gegen
Private nur eine (in Deutschland auf 20 Mark, in den Frankenstaaten auf 50 Franks) beschränkte
Zehlungskraft und werden auf Staatsrechnung zu einem ihren inneren Wert überschreitenden
Nominalwert geprägt. Eine besondere Klasse bilden die Handelsmünzen, denen der sie aus-
gebende Staat überhaupt keinerlei gesetzliche Zahlungskraft, sondern nur eine Beglaubigung ihres
Edelmetallgehaltes durch seine Prägung erteilt. Dahin gehören z. B. die deutschen Goldkronen
von 1857, die in den meisten Bundesstaaten und namentlich in Preussen nicht einmal von den
öffentlichen Kassen angenommen wurden, die von Holland und anderen Staaten geprägten Dukaten,
die österreichischen Maria Theresiataler, die amerikanischen (nur von 1873—1887 geprägten)
Tradedollars u. a. Früher spielten gewisse Handelsmünzen, deren Prägung ein besonderes Vertrauen
genoss, eine bedeutende Rolle als int tionale Zahlungsmittel, und es wurden viele Verträge aus-
drücklich auf diese bestimmten Sorten geschlossen. Dasselbe geschah aber auch vielfach in bezug
auf Gold- und grobe Silbermünzen, die in anderen Ländern als Währungsgeld ausgegeben waren,
und auch gegenwärtig kommt es noch in einigen Staaten vor, dass gewisse fremde Münzen nicht
nur Kurs bei den öffentlichen Kassen, sondern sogar unbeschränkte gesetzliche Zehlungskraft
haben. Solche besitzen z. B. in Portugal die englischen Goldmünzen seit 1854. Ebenso waren in der
Schweiz schon vor ihrem Eintritt in den sogenannten lateinischen Münzbund die französischen,