Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

356 Wilhelm Lexis, Währung. 
  
ging. Den letzten und stärksten Stoss erhielt das Silber dadurch, dass die britisch-indische Regierung 
ihm im Juni 1893 ihre Münzstätten verschloss, die bis dahin, da in Indien seit 1853 reine Silber- 
währung bestand, jährlich 80 bis 100 Mill. Rupien geprägt hatten. Der Preis fiel sofort auf 311 Pence 
und, da im November auch die Sherman-Akte aufgehoben wurde, auf 27 Pence und noch tiefer. 
In den letzten Jahren schwankte er zwischen 21%, und 329/,,, und gegenwärtig bewegt er sich 
zwischen 27 und 28 Pence. Noch einmal unternahm Amerika einen Feldzug zugunsten des Silbers, 
indem es 1898 Delegierte nach Europa sandte, denen es gelang, mit Frankreich in der Tat einen 
bimetallistischen Vertrag auf Grund des Wertverhältnisses 151, : 1 zustande zu bringen. Bedingung 
war jedoch die Wiedereröffnung der indischen Münzstätten für freie Silberprägung, und diese wurde 
von der englischen Regierung verweigert. Seitdem ist die bimetallistische Bewegung gänzlich 
verschwunden und zwar hauptsächlich infolge des enormen Anschwellens der Goldproduktion, 
die von rund 400 Mill. Mk. im Durchschnitt der Jahre 1881 bis 85 auf 1900 Mill. in den letzten Jahren 
gestiegen ist. So konnte Russland 1898 nicht nur von der Papierwährung zur effektiven Goldwährung 
übergehen, sondern auch einen Goldvorrat von 1400 Mill. Rubel (über 2800 Mill. M.) in den 
Gewölben seiner Reichsbank ansammeln. Österreich-Ungarn nahm 1892 ebenfalls die Goldwährung 
an mit Beibehaltung seines — nur mässigen — Bestandes an Silberwährungsmünzen. Die öster- 
reichisch-ungarische Bank ist allerdings noch nicht zur Bareinlösung ihrer Noten verpflichtet, es 
ist ihr aber gelungen, den Kurs derselben gegen Gold mit genügender Festigkeit aufrechtzuerhalten. 
Rumänien, Serbien und Bulgarien haben das Frankensystem mit beschränkter Zahlungskraft aller 
Silbermünzen, also Goldwährung. Diese besteht auch in der Türkei, ferner prinzipiell in den süd- 
und mittelamerikanischen Staaten, von denen allerdings mehrere sich tatsächlich noch mit unein- 
löslichem und entwertetem Papiergeld behelfen müssen. Nur Argentinien ist imstande gewesen, 
den Kurs seines Papiergeldes gegen Gold festzulegen, indem für einen Teil der Noten eine Einlösungs- 
kasse gegründet wurde. Die Vereinigten Staaten sind durch ihre Silbergesetze von 1878 und 1890 
(nach Ausprägung des auf Grund des Sherman-Akte angesammelten Silbers) zu einer hinkenden 
Doppelwährung mit einem Bestand von 570 Mill. Standard-Dollars — die allerdings im Verkehr 
grösstenteils durch Silberzertifikate vertreten sind — geführt worden. Auch Mexiko hat seit 1904 
eine Arthinkender Doppelwährung, indem zwar ein Goldpeso von 750 Milligramm Feingewicht als Ein- 
heit angenommen wurde, aber auch die ganzen Silberpesos unbeschränkte Zahlungskraft behielten. 
Ein grosser Teil der letzteren ist aber in den Jahren des erhöhten Silberpreises (1905—07) ausge- 
führt und durch Gold ersetzt worden. Japan hat seit 1897 Goldwährung, ebenfalls mit einer Ein- 
heit von 750 Milligramm Feingewicht. Eine eigentümliche im Grunde ebenfalls hinkende Doppel- 
währung besteht in Britisch-Indien: Der Sovereign hat seit 1898 gesetzliche Zahlungskraft, es 
werden aber auch Silberrupien mit Währungskraft zu dem bedeutend überwerteten Preise von 
16 Pence in beliebiger Menge gegen Einlieferung von Gold ausgegeben und es sind seit 1904 wieder 
durchschnittlich jährlich 150 Mill. Rupien geprägt worden. Ein ähnliches System, nämlich eio in 
beschränkter Menge für Rechnung der Regierung ausgegebener unterwertiger Silberdollar mit 
festem Kurs und Einlöslichkeit gegen Pfund Sterling, ist in den hinterindischen britischen Be- 
sitzungen eingeführt worden. Dieses System des „Gold Exchange Standard‘ mit cinem unter- 
wertigen einlöslichen silbernen Währungsdollar haben die Amerikaner auch auf den Philippinen 
angenommen. Reine Silberwährung, aber bisher nur durch Barren, fremde und Provinzialmünzen 
dargestellt, besteht nur noch in China. Auch dort aber hegt man den Plan, eine silberne Reichs- 
münze zu schaffen, die nur auf Rechnung des Staates geprägt und durch eine Einlösungskasse auf 
einen festen Wert gegen Gold erhalten werden soll. Die Silberfrage ist also jetzt nicht nach dem 
bimetallistischen Programm mit freier Silberprägung gelöst, sondern in mehreren Staaten durch 
hinkende Doppelwährung ohne neue Prägung von Silberwährungsmünzen, in einigen aber durch 
beschränkte, den Regierungen vorbehaltene Prägung von solchen mit Festhaltung eines erhöhten 
auf Gold bezogenen Kreditwerts derselben.
	        
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