Alfred Knobloch, Hansabund. 63
Parlamenten und Körperschaften; Förderung der Verkehrs- und Schulverhältnisse im Kultur-
und Wirtschaftsinteresse der Landbevölkerung, grosszügige Bauerr.ansiedlung ohne Restgüter und
dadurch Sicherung der Volksernährung und nationalen Wehrkraft, Aufteilung der Latifundien und
Einschränkung der Fideikommisse, Verbesserung der Arbeiterverhältnisse auf dem Lande und
Schaffung eines grundbesitzenden Arbeiterstandes, Förderung der Entschuldung des ländlichen
Grundbesitzes usw.
Der Deutsche Bauernbund willalle Bauern und Freunde des Bauernstandes ohne Unterschied
der Konfession zusammenfassen. Er bekämpft das Gegeneinanderhetzen von Stadt und Land, das
demagogische Ausspielen eines Standes gegen den andern. Er will Befreiung des Bauernstandes
von unwürdiger Vormundschaft, um demselben auch den ihm gebührenden Platz an der Sonne zu
erringen. Die Zukunft unserer Nation erscheint dem Deutschen Bauernbund nur dann gesichert,
wenn ein gesunder, kräftiger, frei auf seiner Scholle sitzender deutscher Bauernstand erhalten und
weiterhin gefördert wird!
c) Hansabund.
Von
Oberbürgermeister Alfred Knobloch,
Mitglied des Direktoriums des Hansabundes, Berlin.
Die Gründung des Hansabundes am 12. Juni 1909 in Berlin, die unter Teilnahme von etwa
6000 Personen, Vertretern aus allen Kreisen des deutschen erwerbstätigen Bürgertums, erfolgte,
hatte zwar zum äusseren Anlass die Reichsfinanzreform, entsprang aber in ihrem inneren Grunde
tieferliegenden allgemeinen Verhältnissen.
Die Fundamentaltatsache zur Erklärung dieser Bewegung ist die allmähliche Umwandlung
Deutschlands aus einem Agrarstaat in einen Handels- und Industriestaat ohne gleichzeitige pro-
portionale Verschiebung der parlamentarischen Interessenvertretung. Die Übermacht rein agra-
rischer Interessen in den Parlamenten der Bundesstaaten und des Reichs hat nicht nur der landwiırt-
schaftlichen Gesetzgebung einen an die Zeiten der Ständeprivilegien erinnernden Charakter der
Bevorzugung, sondern auch der industriellen und Handelsgesetzgebung den Stempel der
Verkehrsfeindlichkeit aufgeprägt.
Das Schulbeispiel ist die Kanalvorlage. Der grösste verkehrspolitische Gedanke der neueren
Zeit ist in beiden Häusern Preussens unter dem Gesichtswinkel der prinzipalen Berücksichtigung
rein agtarischer Forderungen entschieden worden. Nachdem die Mittellandkanal-Vorlage 1901
gänzlich scheiterte, tauchte sie 1904, verstümmelt und mit gewichtigen Einschränkungen der
Verkehrsfreiheit beschwert (Streichung des Mittelteils Hannover-Magdeburg, Schiffahrtsabgaben,
Schleppschiffahrtsmonopol) wieder auf. Weitere Etappen auf diesem Wege waren die Bank-Börsen-
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piritus f g g. Den Schluss bildete die Reichsfinanzreform mit ihren ein-
seitigen Konsumsteuern und ihrer Ruinierung der Tabak- und Zündholz-Industrie zu Gunsten der
Beseitigung der Erbanfallsteuer, einer Belastung, die den deutschen Bauernstand nahezu garnicht,
die übrige deutsche Landwirtschaft unter den denkbar mässigsten Bedingungen traf.
Im natürlichen Zusammenhange mit der Zusammensetzung der Parlamente diente die Staats-
verwaltung im Reich und in den Bundesstaaten — von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen —
in erster Linie oder doch vorwiegend agrarischen Interessen. Hinzu trat noch die bekannte Welt-
fremdheit der deutschen Bureaukratie, sowie ihre Neigung, das der Bewegungsfreiheit zu allererst