64 Alfred Knobloch, Hansabund.
bedürftige Gewerbe, sei es Industrie, Handwerk oder Handel, in die Zügel fiskalisch bevor-
mundender Reglementierung zu nehmen und dadurch sowohl in Form direkter finanzieller Lasten,
wie indirekter Einbussen unberechenbar zu schädigen und dem Auslande gegenüber in dauernde
Gefahr des Unterliegens zu bringen.
Die angesichts dessen mehr und mehr zum Bewusstsein kommende Notwendigkeit, allen
ErwerbsständenGleichberechtigungimStaatswesen zuerkämpfen,
ist demnach die Ursache, aus der eine Einigung des deutschen gewerbtätigen Bürgertums im Hansa-
bunde für Gewerbe, Handel und Industrie, über alle Gegensätze politischer, konfessioneller und
berufsmässiger Natur hinweg, zustande kam.
Die Persönlichkeit, der das Verdienst der Lösung dieser in Deutschland unerhörten und für
unmöglich gehaltenen Aufgabe, der Schaffung des Hansabundes, zukommt, ist der ordentliche
Honorarprofessor der Rechte an der Universität Berlin, Geheimer Justizrat Dr. Riesser. Seiner
umfassenden Kenntnis des modernen wirtschaftlichen Lebens, seiner feurigen Initiative und
Beredsamkeit, seiner genialen Vermittlung ist es in der Hauptsache zu danken, dass die ver-
schiedenen, nach dem gleichen Ziele gerichteten Strömungen innerhalb der einzelnen bürgerlichen
Berufsstände zu einem einzigen einheitlichen Strome zusammengefasst wurden. Die grosse Idee
hat in ihm ihren Apostel gefunden.
Der Kampf, den der Hansabund, unabhängig von besonderen Parteibestrebungen, zu führen
hat, ist ein doppelter. Einmal gilt es, die Zusammensetzung der Parlamente nach den oben berührten
Gesichtspunkten zu ändern, also bei den Wahlen unter Bekämpfung der Vertreter einseitig agrarischer
Interessen die Angehörigen von Gewerbe, Handel und Industrie in ungleich grösserer Zahl als bisher
in die Parlamente zu bringen und damit einer gewerbfreundlichen Tendenz der Gesetzgebung und
Verwaltung die Wege zu bahnen. Sodann aber ist es Aufgabe des Hansabundes, ausserhalb der
Parlamente in Form der Aufklärung in Presse, Bürgertum und Verwaltung, sowie in Gestalt posi-
tiver Reformarbeit gegenüber den bestehenden Missständen praktisch den Gründungszweck des
Hansabundes zu betätigen.
Dieses Programm des Hansabundes ist in seiner Durchführung den Einzelheiten nach ent-
halten in den am 4. Oktober 1909 vom Präsidium und Direktorium des Bundes beschlossenen,
unter dem 11. Juni 1912 erweiterten
Richtlinien:
I. Der Hansa-Bund ist davon durchdrungen, dass der moderne Staat nur gedeihen kann, wenn der Grundsatz
der Gleichberechtigung allerErwerbsstände, insbesondere Gewerbe, Handel, Industrie
und Landwirtschaft, den leitenden Gedanken und die unverrückbare Grundlage auch seiner Wirtschafts-
politik bildet.
Der Hansa-Bund wird daher mit aller Kraft dahin wirken:
t. dass Deutschlands Gewerbe, Handel und Industrie die ihnen auf Grund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung
zukommende Gleichberechtigung sowohl in der Gesetzgebung wie in der Verwaltung und
Leitung des Staates nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch eingeräumt und der gewerblichen Arbeit,
ihren Vertretern und Angestellten eine bessere Würdigung im Staatsleben zuteil werde.
IS
dass der für eine gesunde wirtschaftliche Entwickelung der Nation, für den Frieden im Innern und für
unser Verhältnis mit dem Auslande gleich unheilvolle Einfluss jener einseitigen agrardemago-
gischen Richtung beseitigt werde, die sich bisher in ihrer praktischen Tätigkeit von entgegen-
gesetzten Grundanschauungen leiten liess.
dass den berechtigten Interessen der im Hansa-Bund vereinigten Erwerbsstände, unter voller Achtung
der berechtigten Interessen der übrigen Erwerbsstände, sowohl bei dem Abschluss von Handelsverträgen
und bei dem Erlass von Ciesetzen. Verordnungen und Verfügungen, wie bei deren Durchführung Rechnung
getragen werde.
»
Er wird zu diesem Zweck namentlich verlangen:
a) duss vor dem Abschluss von Handelsverträgen und vor dem Erlass von Gesetzen, Verordnungen und
Verfügungen in gewerblichen, kaufmännischen und industriellen Angelegenheiten Sachverständige aus