F. W. R. Zinnmermann, Gerechtigkeit in der Steuerverteilung. 75
hältnissen, dass es unmöglich ist, im voraus oder überhaupt mit absoluter Sicherheit zu übersehen,
ob und in welcher Weise sich in dem freien Verkehr, den man entsprechend zu regeln nicht in der
Lage ist, die Steuerüberwälzung wirklich vollziehen wird. Theoretisch lässt sich sehr leicht der
Satz aufstellen, die Steuerarten sind so zu wählen und zu bestimmen, dass im Endergebnis vermöge
der Steuerüberwälzung stets der richtige Steuerträger, d. h. derjenige, dem man die Steuer wirk-
lich auferlegen wi.l, getroffen wird. Ob der Erfolg in der gewollten Richtung eintritt, muss immer
fraglich bleiben, da man nur mit Wahrscheinlichkeiten zu rechnen imstande ist. Regelmässig
wird bei den indirekten Steuern die Überwälzung als gewollt, bei den direkten Steuern als nicht
gewollt anzunehmen sein. Vollzieht sich die Steuerüberwälzung nicht in der von der Steuergesetz-
gebung vorausgesetzten und gewollten Weise, so wird dadurch die rationelle Steuerpolitik durch-
brochen und vereitelt; hierin zeigt sich gerade die bedenkliche Seite der Steuerüberwälzung und
ihrer Unbestimmbarkeit. In der Berücksichtigung der Steuerüberwälzung wird man nach alledem
stets mit der grössten Vorsicht zu verfahren haben.
c) Prinzipien der Gerechtigkeit. .
AlsPrinzipien der Gerechtigkeit werden angeführt die Allgemeinheit
der Besteuerungunddie@Gleichmässigkeit derselben. Dazu ist aber vorweg
hervorzuheben, dass nach dem derzeitigen allgemeinen Entwicklungsstande, auf welchem sich die
Besteuerung als solche aufzubauen hat, beide Prinzipien nicht nach ihrem strengen Wortlaute
sondern nur mit gewissen Einschränkungen als zutreffend anzuerkennen sind.
Der Grundsatz der Allgemeinheit fusst zunächst darauf, dass die passive
Besteuerung eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht ist. Dementsprechend würden für diese
Besteuerung ausschliesslich die Staatsbürger in Betracht kommen. Eine derartige Einschränkung
der Besteuerung müsste jedoch unter den jetzigen verwickelteren und verzweigteren allgemeinen
rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Gerechtigkeit, die hier nur als relative in Be-
tracht kommen kann, geradezu widersprechen. Die Allgemeinheit der Besteuerung ist demgemäss
für die Jetztzeit begrifflich weiter zu fassen. Bezüglich der physischen Personen ist sie über den
Kreis der Staatsbürger hinaus auf die Ausländer (Nichtstaatsangehörige) auszudehnen, welche sich
im Inlande dauernd oder vorübergehend aufhalten. Die Allgemeinheit erstreckt sich sodann aber
ferner auf die juristischen Personen im weitesten Sinne und zwar sowohl auf die des öffent-
lichen Rechts (Staat, Provinz, Kreis, Gemeinde pp.) wie auf die des Privatrechts :Erwerbs- und
Handelsgesellschaften, Aktiengesellschaften, Aktien! litgesellschaften, Erwerbs- und Wirt-
schaftsgenossenschaften, Bergwerksgenossenschaften, Vereine etc.), unter Umständen auch hier
auf ausländische mit. Daneben kann endlich noch die Besteuerung des Einkommens der
Personen schlechthin, der inländischen Ertragsquellen für gewisse Bezüge und des Vermögens
in Betracht kommen. Der Grundsatz der Allgemeinheit in der Besteuerung, wie er jetzt aufzufassen,
lässt sich auf eine Einheitssteuer unbedingt nicht anwenden; es ist dieses ein weiterer ausschlag-
gebender Grund für dieUnmöglichkeit einer solchen Steuer, die schon oben hervorgehoben wurde.
Ausserdem ist noch einer Durchbrechung des Prinzips der Allgemeinheit zu gedenken,
welche jedoch gerade auf der Gerechtigkeit, die das Prinzip vertreten soll, beruht, der Steuer-
freiheit des Existenzminimums bezw. der damit im Zusammenhang stehenden
Befreiungen in einer unteren Steuerbegrenzung. Unter lediglich finanziellem Standpunkt würde
eine derartige prinzipielle Befreiung nicht anzuerkennen sein, wohl aber muss sie vom sozialpoli-
tischen, welcher in der neueren Zeit schärfer in den Vordergrund gebracht ist, gefordert werden.
Durchzuführen ist die Befreiung nur bei einem Teil der Steuern, so namentlich bei der direkten
Einkommens-, Ertrags- und Vermögensbesteuerung, desgleichen meist bei den Verkehrssteuern,
während sie bei der indirekten Besteuerung, den Verbrauchs- und Gebrauchssteuern, durchweg ausge-
schlossen erscheint, zum Teil jedoch durch die Steuerüberwälzung zum Ausgleich gebracht werden
wird. Eine weitergehende Durchführung der fraglichen Befreiung wird namentlich da zu fordern
sein, wo der steigende Finanzbedarf stärker auf die Verbrauchsbesteuerung von Lebensbedürf-
nissen zurückzugreifen zwingt