F. W. R. Zimmermann, Gerechtigkeit in der Steuerverteilung. s
hinzustellen, dass Jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur
Besteuerung heranzuziehen ist. Dem Prinzip der Allgemeinheit in der Besteuerung dürfte damit
gleicherweise Rechnung getragen sein, da jeder Leistungsfähige heranzuziehen ist, ein gewisses
Mindestmass von Leistungsfähigkeit aber immerhin ausser Betracht gelassen werden kann.
Die Leistungsfähigkeit ist mit allen den einzelnen Verschiedenheiten, die
bezüglich ihrer nach den massgebenden Richtungen hin zur Erscheinung kommen, zu berück-
sichtigen, wobei namentlich nicht ausser acht zu lassen ist, dass mit den grösseren Mitteln die
Leistungsfähigkeit nicht nur proportional sondern progressiv anwächst. Die Progressivbesteuerung
gewinnt dadurch für die Gerechtigkeit in der Steuerverteilung eine ganz besondere Bedeutung.
Gerade in jenen Einzelmomenten, in welchen sich in der Hauptsache der Entwicklungsstand der
Jetztzeit geltend macht, liegt, und zwar eben aus diesem Grunde, der springende Punkt; durch sie
wird den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Zeit Rechnung getragen, was
als eine Hauptbedingung für die Durchführung der Gerechtigkeit in der Steuerverteilung anzu-
sehen ist. Dadurch müssen die in Frage stehenden beiden obersten Steuerprinzipien noch weiter
in den Vordergrund gerückt werden; sie stellen sich als das für die Gerechtigkeit in der Steuer-
verteilung hauptsächlich Massgebende dar. "
10. Besondere Schwierigkeiten in der Verwirklichung.
Aus der vorgehenden Erörterung der Bedeutung, welche die obersten Steuerprinzipien für
unsere Frage im Verhältnis zu einander haben, ergibt sich, dass bis zu einem gewissen Grade alle
die einzelnen Prinzipien auf die Gerechtigkeit in der Steuerverteilung von Einfluss sind. Die obersten
Steuerprinzipien lassen sich jedoch bei den einzelnen Steuerarten keineswegs beliebig oder bis
zu festliegenden Grenzen gleichmässig zur Anwendung bringen. Die Sonderheitender
einzelnen Steuerarten gestatten vielmehr eine Durchführung der obersten Steuer-
rinzipien, wie schon berührt, nur in einer sehr verschiedenen Weise oder nach einer stark unter-
schiedlichen Abstufung. Um so mehr ist es natürlich ausgeschlossen, bei den einzelnen Steuerarten
der Gerechtigkeit in der Steuerverteilung auf einer gleichmässigen und übereinstimmenden Grund-
lage Geltung zu verschaffen, da bei ihr sämtliche Prinzipien und noch dazu nach einer bestimmten
abgestuften Bedeutung in Frage kommen. Die einzelnen sich hieraus ergebenden Verschiedenheiten
bezüglich aller der zahlreichen Steuerarten näher zu verfolgen, muss ausgeschlossen erscheinen;
auf einzelnes haben wir oben hingewiesen; wir können jetzt nur die Tatsache als solche hervor-
heben, die aber wohl kaum zu Zweifeln Anlass bieten dürfte.
Um zu einer absoluten Gerechtigkeit in der Steuerverteilung zu
gelangen, müssten bei der Bildung des Steuersystems alle diese Verschiedenheiten der Steuerarten
durch die entsprechende Zusammenfügung derselben vollkommen zum Ausgleich gebracht werden.
Nach den tatsächlichen Verhältnissen wird es aber bei der ausserordentlichen Mannigfaltigkeit
in den Abweichungen, die sich zugleich dem Grade nach wiederum in der grössten Verschiedenheit
abstufen, als vollkommen ausgeschlossen anzusehen sein, überhaupt jemals ein solches Ziel zu er-
reichen. Wenn Adolph Wagner sagt, dass die Bildung eines rationellen, theoretisch richtigen,
praktisch brauchbaren Steuersystems eine in jeder Hinsicht ausserordentlich schwierige und immer
nur mehr oder weniger gut zu lösende Aufgabe sei, so muss dieses ebenmässig und wohlnoch in
einem erhöhten Masse von der Durchführung einer Gerechtigkeit in der Steuerverteilung gelten.
Eine absolute, in allen einzelnen Beziehungen durchschlagende Gerechtigkeit in der Steuer-
verteilung wird man selbst bei einem rein theoretischen Aufbau eines Steuersystems
kaum je erreichen können, denn es dürfte als ausgeschlossen erscheinen, die einzelnen Steuerarten
zu dem System gerade so zu vereinigen, dass die für die Gerechtigkeit in der Steuerverteilung mass-
gebenden obersten Steuerprinzipien in ihren bei diesen Steuerarten in verschiedener Weise und
nach beiden Seiten hin zur Erscheinung kommenden Abweichungen sich behufs Erzielung der
vollen Gerechtigkeit ganz genau und ohne ein Überschiessen nach der einen oder nach der anderen
Seite hin ergänzen, dass sozusagen stets das Plus auf der einen Seite durch ein entsprechendes Minus
auf der anderen und umgekehrt ausgeglichen wird. Ausserdem kommt in Betracht, dass die bei
Ö
Handbuch der Politik. II. Auflage. Band II,