Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Julius Wolf, Die öffentlichen Abgaben in Deutschland. 87 
für Kontingentspiritus sind 1.171, bezw. 1.20 M. Der erstere Satz gilt für die landwirtschaftlichen, 
der zweite für die gewerblichen Brennereien. 
Die neben der eigentlichen Branntweinsteuer erhobene sogen. Betriebsauflage ist eine Mehr- 
belastung 1. der Gross- gegen die Klein- und 2. der gewerblichen gegen die landwirtschaftliche 
Brennerei und ist in diesem Sinn ebensowohl eine soziale wie wieder eine agrarpolitische Ein- 
richtung. Sie wird nach einer Skala erhoben, die mit 4 Pfg. pro Liter Alkohol bei einer 
Jahreserzeugung von nicht über 50 Hl. beginnt und bis 14 Pfg. pro Liter bei 3000 Hl. Erzeugung 
ansteigt. Die gewerblichen Brennereien haben dann noch weitere 4 Pfg. Steuer pro Liter zu 
entrichten. 
Die Einnahmen aus der Betriebsauflage werden besonders gebucht und in der Hauptsache 
— seit der Novelle von 1912 fliessen 16 Mill.M. indie Reichskasse — zur Zahlung von Boni- 
fikationen bei der Ausfuhr von Branntwein, sowie bei Verwendung desselben zu gewerblichen 
Zwecken über die Steuerfreiheit hinaus verwendet. In beiden Fällen wird also eine Prämie gewährt 
(bei der Ausfuhr mit 18 Mark pro hl., bei der gewerblichen Verwendung mit 9 oder 18 Mark), um 
diese Artder Verwendung von Spiritus nach Möglichkeit zu steigern und den inneren Markt zu 
entlasten. 
Die Reineinnahme aus der Branntweinsteuer ist aus den in Zusammenhang mit der Würdi- 
gung der Matrikularbeiträge entwickelten Gründen politischer Natur nicht für das Reich bean- 
sprucht, vielmehr den Ein zelstaaten im Masse ihrer Bevölkerung überwiesen. 
Die Biersteuer ist keine einheitliche Reichssteuer. Vom Reiche wird das Bier nur 
im sogenannten Brausteuergebiet, d. h. Norddeutschland mit Hessen, besteuert; dagegen ist 
in ‘Bayern, Württemberg, Baden und zur Zeit noch in Elsass-Lothringen die Besteuerung des 
Biers der Landesgesetzgebung vorbehalten. Der Ertrag der Steuer geht hier in die Kassen der 
Einzelstaaten, dafür haben diese Ausgleichungsbeträge an die Reichskasse zu entrichten. 
Erhebungs fo rm der Biersteuer in Nord- und Süddeutschland mit Ausnahme von Elsass- 
Lothringen ist die Malzsteuer und zwar als Steuer vom Gewicht des verwendeten Malzes. Ihr 
Satz ist überall gestaffelt im Sinne der Begünstigung der kleineren Betriebe und zwar geht er im 
norddeutschen Brausteuergebiet von 14, in Bayern von 15 bis 20 Mark pro Doppelzentner Malz, in 
Württemberg, Baden und (rechnungsweise) Elsass-Lothringen von bezw.14 Mark 30 Pfennigen, 
15 und 15 Mark bis 22, 22 und 23 Mark. 
Der Ertrag der Biersteuer (einschliesslich Bierzoll) war im deutschen Zollgebiet im Rech- 
nungsjahr 1911/12 nicht weniger als 237 Millionen Mark. Diese 237 Millionen verteilten sich mit 
145 Mill. auf das Brausteuergebiet, 56 Mill. auf Bayern, 15 Mill. auf Württemberg, 12 Mill. auf Baden, 
8.4 Mill. auf Elsass-Lothringen. 
Während die Branntweinsteuer im Betriebsjahr 1911/12 auf den Kopf der deutschen Be- 
völkerung 3.19 M. erbrachte, wurden aus dem Bier pro Kopf 3.30 M. gezogen. 
An Getränkesteuern wird für Rechnung des Reichs noch eine Schaumweinsteuer 
erhoben. „Stiller“ Wein hat sich bisher der Besteuerung entzogen gegen die Absichten der Reichs- 
regierung infolge regional organisierter Widerstände, so dass also, während Bier und Brannt- 
wein, das Getränk auch der Armen, heute im Deutschen Reiche als mit einer ansehnlichen Steuer 
belegt gelten müssen, von dem Getränk der Wohlhabenden, das der Wein zumal in Norddeutsch- 
land ist, bisher nur der Schaum wein unter eine Reichssteuer gebracht erscheint. Der Reichs- 
tag hat zweimal, 1893/94 und 1908, den Entwurf eines Weinsteuergesetzes gesehen, beide Male 
aber, das letzte Mal trotzdem es sich nur um Besteuerung der Flaschenweine handeln sollte, den- 
selben verworfen. Der Schaumwein dagegen ist seit 1902 einer Steuer unterstellt, welche seit 1909 
für die (normale) Flasche bei einem Preis derselben bis 4 Mark 1 Mark, bei einem Preis von 4—5 Mark 
2 Mark, bei einem Preis der Flasche von über 5 Mark 3 Mark beträgt. Der Ertrag der Schaumwein- 
steuer war im Rechnungsjahr 1911/12 11.6 Millionen Mark, an Eingangszoll von fremdem Schaum- 
wein wurden in der gleichen Zeit 3.3 Millionen Mark erhoben. 
Nächst den Getränkesteuern spielt finanziell die Zuckersteuer die grösste Rolle. 
Sie wird als Fabrikatsteuer erhoben und beträgt 14 Mark pro Doppelzentner Zucker. Längere Zeit 
war eine Herabsetzung dieses Satzes auf 10 M. in Aussicht genommen und für einen späteren Zeit-
	        
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