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I.
Die Sonn- und Festtagsruhe ıst, wie die Geschichte aller Kulturvölker beweist,
ein allgemeines Menschheitsbedürfnis. Für die Arbeiter ıst sie, zumal bei der Länge des Arbeits-
tages und der häufigen Über- und Nachtarbeit, zunächst zum Zweckedesnotwendigen Kräfteersatzes,
dann aber auch um der berechtigten Interessen und Bestrebungen willen geboten, die ausserhalb
seiner Berufsarbeit liegen, also der rein menschlichen: so die religiösen, staatsbürgerlichen,
familiären, geselligen, sportlichen, Bildungsbestrebungen usw. Denn die Arbeit ist stets nur Mittel
zum Zweck, der Mensch aber Selbstzweck. Er kann daher beanspruchen, dass er nicht in ihr auf-
zugehen braucht. Nach gleicher Richtung geht aber auch das Interesse des Arbeitgebers an leistungs-
fähigen und intelligenten Arbeitskräften und ebenso das Interesse der deutschen Industrie, ange-
sichts des immer schärferen und schwierigeren Wettbewerbs auf den Weltmärkten durch über-
legene Leistungen zu siegen. Dies zumal da unsere Volkswirtschaft die enorm gewachsene Bevöl-
kerung nur auf der verbreiterten Grundlage einer ausgedehnten Exportindustrie zu ernähren ver-
mag. Anderseits bestehen berechtigte Bedürfnisse des Lebens, auch auf Seiten der Arbeiter selbst,
die auch und vielfach sogar gerade an Sonn- und Festtagen Befriedigung durch gewerbliche
Arbeit heischen (Verkehrs-, Erholungs-, Nahrungsmittelgewerbe, Darbietungen der Erbauung,
Bildung usw.). Ferner kommen in Betracht die Gewerbe mit kontinuierlichem Feuer oder sonst
nicht unterbrechbarem Betriebe, die Kampagne- und Saisonindustrien, die besonderen Bedürfnisse
zu Festzeiten, in Kur- und Badeorten und ähnliche Verhältnisse. Die G.O. bestimmt daher zwar,
dass Arbeiter zu Arbeiten an solchen Tagen nicht verpflichtet werden können, und verbietet all-
gemein die Sonn- und Festtagsarbeit für Fabrık- und fabrıkmässige Betriebe, lässt aber reichliche
Ausnahmen sowohl für@ewerbe wie für einzelneBetriebe zu, über die teils derBundesrat, teils die zen-
tralen, höheren oder unteren Verwaltungsbehörden zu befinden haben. Sie selbst gestattet allgemeine
Notarbeiten bei Betriebsstörungen sowie dıe laufenden Arbeiten der Bewachung, Reinigung, In-
standhaltung usw. Anderseits dürfen dıe Landesgesetze die Sonn- und Festtagsarbeit noch mehr
einschränken und kann das Verbot der Beschäftigung von Arbeitern an solchen Tagen durch
Kaiserl. Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats noch weiter ausgedehnt werden.
Die Zeugnisse, die der Arbeiter beim Ausscheiden aus der Arbeit fordern darf, dürfen
keine ıhn kennzeichnenden Merkmale enthalten.
Das Truckverbot (truck-Tausch) schliesst den alteingewurzelten Missbrauch aus,
die Arbeiter statt in Bargeld in Sachen unter Anrechnung über deren wahren Wert zu bezahlen.
Sie müssen in Bargeld bezahlt werden; Waren dürfen ihnen nicht kreditiert werden. Zuwider-
handlungen zıehen Strafe und Nichtigkeit der Hingabe an Zahlungsstatt wie des sie zulassenden
Vertrages nach sıch, Das Gegebene verfällt zu Gunsten von Arbeiterunterstützungskassen. For-
derungen für kreditierte Waren können in keiner Weise geltend gemacht werden. Nichtig sind auch
Verabredungen über die Entnahme von Arbeiterbedürfnissen aus gewissen Stellen und über Ver-
wendung des Arbeitsverdienstes zu anderen Zwecken als zu Arbeiter- und Wohlfahrtseinrichtungen.
Lohnzahlungen in Schankstätten sind verboten. Damit das Truckverbot aber nicht Wohlfahrts-
einrichtungen trifft, sind Zuwendungen gewisser Naturalien und Leistungen ohne Gewinnabsicht
und nur zum Selbstkosten- oder ortsüblichen Preise in Anrechnung auf den Lohn zugelassen,
ebenso dıe Verabfolgung von Stoffen und Werkzeugen für Akkordarbeiten. Verwandte Bestim-
mungen sınd die, welche den Akkordarbeitern die richtige Ermittlung des von ihnen geschaffenen,
für dıe Lohnbestimmung massgebenden Arbeitsgquantums sichern sollen. Dahin gehört namentlich
das Verbot des „Wagennullens“ in den preussischen Bergwerken. „Ungenügend oder vorschrifts-
widrig beladene Fördergefässe müssen insoweit angerechnet werden, als ihr Inhalt vorschriftsmässig
ist. Geldstrafen dafür sind nur in Form beschränkter Lohnabzüge zulässige. Von den Arbeitern
aus Ihrer Mitte gewählte Vertrauensmänner überwachen das Kontrollverfahren.
Im Interesse jederzeitiger Klarheit der Arbeiter über Leistung und Gegenleistung darf der
Bundesrat für bestimmte Gewerbe Lohnbücher oder Arbeitszettel von gewisser
gesetzlicher Form vorschreiben, was für die Kleider- und Wäschekonfektion geschehen ist.
Die Pflicht der Unternehmer, alle Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, die nach
Beschaffenheit des Betriebes und der Werkstättezum Schutz für Leben und Gesund-