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I56 Willibald Stavenhagen, Das Deutsche Volksheer.
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Einschränkung der sonst geltenden Befugnisse des Bundesfeldherrn (Artikel 5, Ziffer III des
Versailler Bundesvertrages vom 23. XI. 70). Daher ıst dıe Verpflichtung zum unbedingten Gehorsam
gegen den Kaiser im Kriege für die bayerischen Soldaten ın den sonst nur ihrem Könige geschworenen
Fahneneid aufgenommen worden. Auch hat der Kaiser schon im Frieden im Einvernehmen mit dem
König das Besichtigungsrecht auszuüben, ebenso ım Wege besonderer Vereinbarung mit Bayern
über die Anlage neuer Festungen zu bestimmen, nachdem bereits Ulm auf beiden Donauufern
einen einheitlichen Waffenplatz unter Kommando und Verwaltung der Reichsorgane bildet. Mit
der Einrichtung des Reichsmilitärgerichts endlich ist eine neue Einschränkung der Bayerischen
Militärfreiheit eingetreten.
Alle Vereinbarungen mit Bayern und Württemberg sind Bestandteile der Reichsverfassung (Abschnitt XI),
und ihre Abänderung oder Aufhebung ist nur mit Zustimmung aller Beteiligten möglich (Artikel 78). Nur bei den
übrigen Militärkonventionen ist die rechtliche Bedeutung zweifelhaft. Besonders die der Württembergischen
ähnliche Konvention mit Sachsen vom 7. 1I. 67 hat keine besondere Anerkennung durch die Reichsverfassung
erhalten, und die übrigen Konventionen sind lediglich Staatsverträge, durch die die Ausübung der ihnen im Rahmen
der Reichsverfassung und ferneren Reichsgesetzgebung verbleibenden Militärhoheit auf den Preussischen Kon-
tingentsherrn mehr oder minder übertragen wird. Hierfür haben sie eine Zusicherung der Selbstbeschränkung des
Kaisers in Ausübung seiner verfassungsmässigen Befugnisse, besonders hinsichtlich des Besatzungs-(Dislokations-)
. rechts erhalten.
Aberausschlaggebend ist, dass die Einheitlichkeit des Reichsrechts und der Militär-
gesetzgebung, die Gleichheitlichkeit aller militärischen Einrichtungen, besonders die überein-
stimmende Organisation, Gliederung, Kommando, Ausrüstung und Bewafinung sowie Ausbildung
der einzelnen Armeen, die gleichartigen Gebührnisse und Pensionen, weiter die Gemeinschatftlich-
keit der Feststellung der für den Schutz des Reiches wıe die Belastung des Volks so wichtigen
Friedenspräsenzstärke und der Militäretats, der Kosten und Lasten für alle Bundesstaaten —
wenn auch wieder Bayern innerhalb der in einer Summe ım Reıchsetat ausgeworfenen Quote seine
Spezialetats selbst aufstellt und ihre Verausgabung der Genehmigung des Bayerischen Kontingents-
herrn unterliegt —, ferner der tiefgehende Einfluss des Reichs auf die Handhabung der Militär-
verwaltung und endlich die ziemlich weitgehenden Befugnisse des Kaiserlichen Bundesfeldherrn,
der im Frieden die militärische Befehlsgewalt mit den Kontingentsherren teilt, auch das Ernennungs-
recht der Höchstkommandierenden jedes Kontingents sowie der Festungskommandanten und
das Besichtigungsrecht hat, im Kriege aber den gesamten Oberbefehl, den besten Beweis und die
Gewähr für de Einheitlichkeit des Deutschen Heerwesens trotz seiner Eigenschaft als
Kontingentsheer liefern. Eın vorzugsweise die Land- und Seegrenzen sicherndes, ım übrigen ver-
schiedenen strategischen Zwecken dienendes System fester Plätze ist, mit Ausnahme
der bayerischen Festungen, Eigentum des Reichs und steht unter der Aufsicht des Kaisers!®).
Das Eisenbahnwesen, ebenso die Herstellung von Land- und Wasserstrassen im
Interesse der Landesverteidigung, unterstehen nach Art. 4 der Verfassung der Beaufsichtigung des
Reichs und seiner Gesetzgebung (in Bayern — abgesehen von den Rücksichten der Landesverteidi-
gung — Jedoch vorbehaltlich des Art. 46). Das ın der Mehrheit der Linien verstaatlichte, vielfach
mehrgleisige Eisenbahnnetz (etwa 62000 km mit einem Anlagekapital von 18 Milliarden
Mark oder 292 753 M. für den km bei den vollspurigen Bahnen) ist einheitlich und einer
der wichtigsten Faktoren der Deutschen Wehrkraft, indem ohne seine von der Obersten Heeres-
leitung beanspruchte Hilfe eine Kriegführung mit Massenheeren undenkbar ist. Elsass-Lothringen
hat vom Reichseisenbahnamt beaufsichtigte Reichseisenbahnen. Ferner sind das übrige Land-
unddasWasserverkehrssystemsowiederPost- und Telegraphenverkehr
(letzterer, vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 52 für Bayern und Württemberg) vom Reiche
beanspruchte wichtige Kriegsmittel. Alle deutschen Truppen tragen seit der A.K. ©. v. 22. VIII. 97
neben der Landes- die Kokarde des Deutschen Reichs als gemeinsames Abzeichen. Sıe werden,
ausser der Bayerischen, sowie der Preussischen Garde, innerhalb der Waffen fortlaufend nummeriert.
Deutsch ıst auch die Sprache des Heeres, das nur 3 v. H. fremdsprachige Rekruten enthält.
10) Näheres über das Deutsche Landesverteidigungssystem in W. Stavenhagen:,,‚Grundriss
der Befestigungslehre und des Militärverkehrswesen. 4. Aufl. 10. E. S. Mittler & Sohn.