Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
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Philipp Zorn, Die Idee des ewigen Friedens. 
  
  
des Staates seien berührt (‚‚en tant qu ils ne touchent nı & l’honneur national ni aux interete 
vıtaux des Etats‘). 
Man hatte sich im Komitee auf diese drei Punkte geeinigt und zugleich im Vertragstext 
zum Ausdruck gebracht: es liege im Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit, dass in erster Linie Rechts- 
fragen zur schiedsrichterlichen Entscheidung zu bringen seien. Aber ındem man allgemein die 
Frage, ob eine schiedsrichterliche Entscheidung herbeigeführt werden solle, dem Willen der streiten- 
den Mächte anheimstellte, konnten jederzeit auch politische Streitfragen kraft dieses Willens 
dem Schiedsgericht zugewiesen werden und dies ist wiederholt geschehen (Venezuelastreit, Casa- 
blancafall). 
Diese Beschlüsse des Komitees wurden jedoch, einer Forderung des Deutschen Reiches 
gemäss, weiterhin dahin eingeschränkt, dass, um nicht dıe neue Friedensordnung von Anbeginn 
ihrer Wirksamkeit an mit zu vielen schweren Problemen zu belasten, das ganze Oblıgatorıum 
beseitigt wurde. Massgebend ist somit lediglich der Wille der Parteien ım einzelnen Falle. Vorbe- 
halten blieb das Obligatorium nur, insoweit es durch besondere Verträge, wie z. B. den Weltpost- 
vereinsvertrag, bereits eingeführt ist. Ausserdem wurde den Mächten empfohlen, durch Sonder- 
verträge das Obligatorıum einzurichten und es ist dies durch zahlreiche Verträge dieser Art ın sehr 
umfassender Weise geschehen, so z. B. auch durch einen deutsch-englischen Sondervertrag ganz 
allgemein. 
° Mit dieser Frage hat sich dann die zweite Friedenskonferenz 1907 ın Monate 
langen Beratungen beschäftigt, die das Problem nach allen Seiten gründlich beleuchteten, 
ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte; nur auf eine farblose und in sich widerspruchsvolle 
Resolution vermochte dıe Konferenz sich schliesslich zu einigen. Die Lösung der Frage scheiterte 
an dem Widerspruch des Deutschen Reiches, dem sich Oesterreich-Ungarn und mehrere andere 
Staaten anschlossen, ındess dıe Mehrheit der Konferenz sich über eine Lösung verständigt hatte, 
die aber nıcht zum Konferenzbeschluss erhoben werden konnte, da hierfür Einstimmigkeit (oder 
doch: „nahezu” Einstimmigkeit) erforderlich war. 
Es kann auf die Einzelheiten dieser hochinteressanten Verhandlung nicht eingegangen 
werden. Insoweitder Widerspruch des Deutschen Reichessichgegen 
eıne Liste vonobligatorischen Schiedsgerichtsfällen ohne die sog. 
Ehrenklauselrichtete, warer berechtigt; insoweit er ein Obligato- 
rıum für Rechtssachen unterdem Schutze der Ehrenklausel über- 
haupt bekämpfte, warerungerechtfertigtund wirdsichaufdieDauer 
nıchtaufrechterhaltenlassen. 
  
  
  
  
  
  
d. Inzwischen ıst von Amerika aus durch den früheren Präsidenten Ta ft eine mäch- 
tige Bewegung entfacht worden fürSchiedsgerichtsverträge ohne Ehrenklausel; 
die Entwürfe von solchen mit England und Frankreich sind vom Abgeordnetenhaus angenommen, 
vom Senat aber abgelehnt worden. Man hat zu diesen Verträgen mit Recht bemerkt: sie seien nicht 
Schiedsgerichtsverträge, sondern vorbehaltlose Bündnisverträge. Andrerseits betont Taft selbst: 
Die nationale Politik müsse selbstverständlich immer ausserhalb des Schiedsgerichtes bleiben, 
aber Fragen der nationalen Ehre könnten sehr wohl dem Schiedsgericht unterworfen werden. 
Es'wird schwer sein, sich eine klare Vorstellung von der praktischen Bedeutung dieser Taft’schen 
Unterscheidung zu machen: Fragen der nationalen Politik und Fragen der 
nationalen Ehre werdenidentisch sein; ist eine Frage, mag sie ursprünglich ganz 
unpolitisch gewesen sein z. B. Anwendung eines Zolltarifes, zu einer Frage der nationalen Ehre 
geworden, so ist sie damit, wenn sie es nicht schon vorher war, zugleich zu einer Frage der nationalen 
Politik geworden. Tafts grosser Vorgänger Roosevelt hat sich mit grösster Entschiedenheit 
dahin erklärt, dass Schiedsverträgeohne Ehrenklauselbeidenheutigen 
Staatsverhältnissen undenkbar seien, teilt also die Ansicht, die ich in meiner 
Rektoratsrede vom 18. Oktober 1910 und anderwärts vertreten habe. Der Taft’sche Vorbehalt 
der nationalen Politik ist noch viel unbestimmter als die Ehrenklausel; dadurch dass er keinen 
besonderen Ausdruck findet, wird die Vorstellung erweckt, als handle es sich um einen lückenlosen, 
  
  
 
	        
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