Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
69. Abschnitt. 
  
Arbeitslosenversicherung. 
Vom 
Geheimen Rat Dr. Georg von Schanz, 
Reichsrat der Krone Bayern, o. Professor der Staatswissenschaften an der Universität Würzburg. 
G. Schanz, Zur Frage der Arbeitslosenversicherung 1895. — Derselbe, Neue Beiträge zur Frage 
der Arbeitslosenversicherung, Berlin 1897. — Derselbe, Dritter Beitrag zur Frage der Arbeitslosenversicherung. 
Berlin 1901. — Derselbe, Art. Arbeitslosigkeitsversicherung im Wörterb. der Volkswirtschaft 3. Aufl. Jena 1910 
S. 203 f. — Die bestehenden Einrichtungen zur Versicherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit im Ausland und 
im Deutschen Reich, bearbeitet im Kais. Statist. Amt, 3 Teile, Berlin 1906 (daselbst auch die frühere 
Literatur). — (Compte rendu de la conference internationale du chömage Paris 18.—21. septembre 1910, Tome I‘ 
II, III Paris 1911. — Zur neuesten Entwicklung der Arbeitslosenversicherung, Reichsarbeitsblatt 1910 S. 424 £. 
1911 Nr. 3 S. 182; Nr. 4 8. 276; Nr. 9 S. 663; 1913 (Sonderbeilage zu Nr. 12). — L’assurance contre le 
chömage im Bulletin trimestriel de l'association internationale pour la lutte contre le chömage. Paris 1 
(1911) Nr. 1. — Der gegenwärtige Stand der Arbeitslosenfürsorge und -Versicherung in Deutschland, 
(Schriften der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Heft 2 Berlin 1913). 
In dem Masse als ein immer grösserer Teil der Bevölkerung in die Lohnstellung einrückt, 
die alten patriarchalischen Verhältnisse verschwinden, das ganze Arbeitsverhältnis labiler und 
rein geschäftsmässig sıch gestaltet, wırd auch die Frage der Arbeitslosigkeit akuter. Die 
Schwankungen ım Arbeitsmarkt, wıe sıe einesteils durch den Wechsel der Jahreszeiten, andern- 
teils durch den bald günstigen, bald ungünstigen Geschäftsgang hervorgerufen werden, machen 
mit den zahlreichen sonstigen Störungen das Lohneinkommen zu einem sehr prekären und rufen 
nach einer Überwindung der daraus eventuell entspringenden Notlagen. Nachdem man die andern 
Unterbrechungen des Lohnbezugs durch Kranken-, Unfall-, Alters- und Invalidenversicherung in 
ihren Wirkungen abgeschwächt hat, lag es nahe, auch dieser letzten, der infolge ökonomischer 
Verhältnisse, im Weg der Versicherung beizukommen. Der Umstand, dass den arbeitslosen Ar- 
beitern gewöhnlich eine grosse Zahl beschäftigter Arbeiter gegenüber steht, scheint ja diesen Weg 
besonders leicht gangbar zu machen. 
Allein bei näherem Zusehen stellen sıch doch erhebliche Schwierigkeiten ein. Diejenigen, 
welche infolge ihrer Tüchtigkeit oder aus anderen Gründen nicht zu befürchten haben, dass sie 
arbeitslos werden oder längere Zeit bleiben, haben geringe Lust, für die weniger tüchtigen Stellen- 
losen mitzuzahlen, und werden sıe gezwungen, einer Arbeitslosenversicherung beizutreten, so sind 
sie nur zu sehr geneigt, darin eine Überspannung des Solidaritätsprinzips zu sehen. Bei Krankheit, 
Unfall, Alter, Invalidität lässt man begreiflicherweise diese Solidarität eher gelten. Soll weiterhin 
die Versicherung dıe Fälle von länger dauernden Krisen und Depressionen befriedigend decken, so 
müssen auch die Prämien sıch bedeutend erhöhen, um grosse Reserven für die schlechten Jahre zu 
gewinnen. Ganz besonders misslıch ist bei der Arbeitslosenversicherung, dass das die Entschädigung 
hegründende Ereignis herbeigeführt werden kann, ohne dass die Schuld klar zutage liegt. Es ist 
ganz unmöglich, in jedem Fall eine Untersuchung vorzunehmen; selbst wenn man es aber täte, 
würden zahlreiche Zweifel bleiben, ob die Entlassung eine gewollte und verschuldete war oder nicht. 
Es ıst aber im Versicherungswesen ein selbstverständlicher Grundsatz, dass derjenige, der das die 
Entschädigung begründende Ereignis selbst herbeiführt, derselben verlustig geht. Da, wo man 
gleichwohl davon absıeht, wie beim Selbstmord oder bei der Haftpflichtversicherung, müssen die 
Hemmungen gross genug sein, um das Zufällige des Ereignisses immer noch als Regel oder das 
Ereignis wider das Interesse des Versicherten erscheinen zu lassen. Solche Hemmungen sind aber 
In unserem Fall an sich nicht gegeben, das Pflichtgefühl reicht nicht immer aus; man muss sie also 
erst künstlich schaffen. So kann man die Spekulation arbeitsscheuer Leute unmöglich machen 
dadurch, dass man den Bezug der Entschädigung an eine längere Zugehörigkeit zur Versicherungs- 
  
  
 
	        
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