Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens. 109 
Strafvollstreckende Behörde. 
8 483. Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft 
auf Grund einer von dem Gerichtsschreiber zu erteilenden, mit der Bescheinigung 
der Vollstreckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Urteilsformel. 
Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung nicht zu. 
Für die zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörigen Sachen kann 
durch Anordnung der Landesjustizverwaltung die Strafvollstreckung den Amts- 
richtern übertragen werden. 
Begnadigungsrecht des Kaisers. 
§ 484. In Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt 
hat, steht das Begnadigungsrecht dem Kaiser zu. 
Außerdem in Elsaß-Lothringen und in den Konsulargerichts= und 
Schutzgebieten. 
Vollstreckung der Todesurteile. 
§ 485. Todesurteile bedürfen zu ihrer Vollstreckung keiner Bestätigung. 
Die Vollstreckung ist jedoch erst zulässig, wenn die Entschließung des Staats- 
oberhauptes und in Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz er- 
kannt hat, die Entschließung des Kaisers ergangen ist, von dem Begnadigungs- 
rechte keinen Gebrauch machen zu wollen. 
An schwangeren oder geisteskranken Personen darf ein Todesurteil nicht 
vollstreckt werden. 
§ 486. Die Vollstreckung der Todesstrafe erfolgt in einem umschlossenen 
Raume. 
Bei der Vollstreckung müssen zwei Mitglieder des Gerichts erster Instanz, 
ein Beamter der Staatsanwaltschaft, ein Gerichtsschreiber und ein Gefängnis- 
beamter zugegen sein. Der Gemeindevorstand des Orts, wo die Hinrichtung 
stattfindet, ist aufzufordern, zwölf Personen aus den Vertretern oder aus 
anderen achtbaren Mitgliedern der Gemeinde abzuordnen, um der Hinrichtung 
beizuwohnen. 
Außerdem ist einem Geistlichen von dem Religionsbekenntnisse des Ver- 
urteilten und dem Verteidiger und nach dem Ermessen des die Vollstreckung 
leitenden Beamten auch anderen Personen der Zutritt zu gestatten. 
Ueber den Hergang ist ein Protokoll aufzunehmen, welches von dem 
Beamten der Staatsanwaltschaft und dem Gerichtsschreiber zu unterzeichnen ist.
	        
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