Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

176 III. Strafgesetzbuch. — Zweiter Teil. 
Die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungsstrafen werden durch 
vorstehende Strafbestimmung nicht ausgeschlossen. 
Auch dann anwendbar, wenn ein Zeuge 2c. nach dem Termin unwahre 
Tatsachen als Entschuldigung vorschützt, um die Wiederaufhebung der ver- 
hängten Ordnungsstrafe zu erwirken. 
Nichtanzeigen von Hochverrat ufsw. 
§ 139. (L.) Wer von dem Vorhaben eines Hochverrats, Landesverrats, 
Münzverbrechens, Mordes, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefähr- 
lichen Verbrechens zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens 
möglich ist, glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde 
oder der durch das Verbrechen bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu 
machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben be- 
gangen worden ist, mit Gesängnis zu bestrafen. 
Im allgemeinen legt das Gesetz keiner Privatperson eine Verpflichtung 
auf, ihr bekannte strafbare Handlungen anzuzeigen, weil es annimmt, die 
Interessen des Verletzten und der menschliche Charakter im allgemeinen werden 
die Anzeigeerstattung, wie auch geschieht, unter Zuhilfenahme der polizeilichen 
Organe im Flusse halten. Anzeigepflichtig sind natürlich nicht die Teilnehmer 
an der Straftat selbst, weil eine Selbstanzeigepflicht nicht festgesetzt werden 
kann. Wohl aber sind anzeigepflichtig die Personen, welche gegenüber dem 
Täter oder einem Teilnehmer nach der Strafprozeßordnung zur Verweigerung 
des Zeugnisses berechtigt sind (§ 51 Str.-Pr. O.). Die Anzeigepflicht dauert 
solange fort, als die durch das strafbare Verhalten bereitete Gefahr andauert. 
Verletzung der Wehrpflicht. 
§ 140. (L.) Wegen Verletzung der Wehrpflicht wird bestraft: 
1. ein Wehrpflichtiger, welcher in der Absicht, sich dem Eintritte in 
den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, 
ohne Erlaubnis entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach er- 
reichtem militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes 
aufhält: mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu dreitausend 
Mark oder mit Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahre; 
2. ein Offizier oder im Offizierrange stehender Arzt des Beurlaubten- 
standes, welcher ohne Erlaubnis auswandert: mit Geldstrafe bis 
zu dreitausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu 
sechs Monaten. 
3. ein jeder Wehrpflichtige, welcher nach öffentlicher Bekanntmachung 
einer vom Kaiser für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegs-
	        
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