Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

Einzelne Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung. 207 
Aussetzung usw. 
8 221. (L.) Wer eine wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder 
Krankheit hülflose Person aussetzt, oder wer eine solche Person, wenn dieselbe 
unter seiner Obhut steht oder wenn er für die Unterbringung, Fortschaffung 
oder Aufnahme derselben zu sorgen hat, in hülfloser Weise vorsätzlich ver- 
läßt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. 
Wird die Handlung von leiblichen Eltern gegen ihr Kind begangen, so 
tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 
(Sw.) Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung der aus- 
gesetzten oder verlassenen Person verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe 
bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht 
worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein. 
Hülflos ist eine Person zufolge Jugend, Gebrechlichkeit oder Krank- 
heit (auch schwere Trunkenheit), wenn sie im Zustande der Hülfsbedürftigkeit 
sich befindet. Bei der Aussetzung wird eine solche Person durch eine 
positive Handlung in den Zustand der Hülflosigkeit versetzt, in dem sie, wie 
der Täter erkennt, ohne rettenden Zufall an Leben oder Gesundheit Gefahr 
leidet. In hülfloser Lage wird eine Person verlassen, wenn sie durch 
räumliche Trennung einem Zufall überlassen wird. Obhut ist ein nicht nur 
rein moralisches oder rein faktisches, sondern rein rechtliches Verhältnis, zu- 
folge dessen der Täter für den Schutz des Hülflosen zu sorgen hat; dieselben 
Voraussetzungen werden für die Verpflichtung zur Sorge für Unterbringung, 
Fortschaffung oder Aufnahme erfordert; es ist nicht notwendig, daß der Täter 
vertragsmäßig verpflichtet ist, er kann die Verpflichtung freiwillig bezw. aus 
Wohlwollen übernommen haben. Eine „schwere“ Körperverletzung ist 
eine solche im Sinne von § 224. 
Fahrlässige Tötung. 
§ 222. (L.) Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen ver- 
ursacht, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. 
Wenn der Täter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen setzte, 
vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet war, so 
kann die Strafe bis auf fünf Jahre Gefängnis erhöht werden. 
Fahrlässigkeit s. § 121. Mensch ist schon das Kind mit 
dem Beginne der Geburt. Die Fahrlässigkeit des Täters braucht nicht die 
ausschließliche Ursache der Tötung zu sein, sie muß aber diesen Erfolg mit 
verursacht haben, aber nicht einmal notwendigerweise hauptsächlich mit ver- 
ursacht haben. Amt ist nicht im Sinne von 8§ 359 gemeint; auch 
Privatverhältnis, wenn die Geschäfte im gewöhnlichen Leben als Amtsgeschäfte 
bezeichnet werden. Beruf ist selbstgewählte, dauernde und mit einer ge-
	        
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