Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

Einzelne Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung. 213 
List s. 8 234. Eltern sind Vater oder Mutter, deshalb kann ein 
Elternteil die Tat gegen den andern, dem das Erziehungs- und Aufsichts— 
recht zusteht, begehen. Die Straftat richtet sich gegen das Machtverhältnis 
der Eltern usw. Entziehung ist die Beseitigung dieses Machtverhältnisses; 
die Zustimmung des Minderjährigen macht nicht straflos. Die dem Minder- 
jährigen zur Selbstentziehung geleistete Beihülfe aber ist nicht strafbar. 
Entführung. 
§ 236. (Sw.) Wer eine Frauensperson wider ihren Willen durch 
List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird 
mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, (L.) wenn die Entführung begangen 
wurde, um die Entführte zur Ehe zu bringen, mit Gefängnis bestraft. 
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 
Frauensperson kann auch eine Ehefrau sein. List s. § 234. 
Entführung ist Verbringung an einen andern Ort und Unterwerfung 
unter Willkür eines anderen. Täterin kann auch eine Frauensperson sein, 
die Unzucht oder Ehe brauchen nicht gerade mit dem Entführer, können 
auch mit einem Dritten bezweckt sein. Antragsberechtigt ist die Entführte oder 
ihr gesetzlicher Vertreter. 
§ 237. (LI.) Wer eine minderjährige, unverehelichte Frauensperson mit 
ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern, ihres Vormundes oder 
ihres Pflegers, entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird 
mit Gefängnis bestraft. 
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 
Antragsberechtigt sind Eltern, Vormund, Pfleger. S. 8§ 236. 
§ 238. Hat der Entführer die Entführte geheiratet, so findet die Ver- 
folgung nur statt, nachdem die Ehe für nichtig erklärt worden ist. 
Freiheitsberaubung. 
§ 239. (L.) Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen ein- 
sperrt oder auf andere Weise des Gebrauches der persönlichen Freiheit beraubt, 
wird mit Gefängnis bestraft. 
(8w.) Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder 
wenn eine schwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten durch die 
Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung 
verursacht worden ist, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. 
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter 
einem Monat ein. 
(Sw.) Ist der Tod des der Freiheit Beraubten durch die Freiheits- 
entziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht
	        
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