Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten. Erster Band. 1905. (1)

II. Strasprozeßordnung. — Erstes Buch. — 9. Abschnitt. 71 
richter auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, bei Gefahr im Verzuge, von 
Amtswegen ein Haftbefehl erlassen werden. 
Zur Erlassung dieses Haftbefehls und der auf die Untersuchungshaft, 
einschließlich der Sicherheitsleistung, bezüglichen Entscheidungen ist jeder Amts- 
richter befugt, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand für die Sache begründet 
ist oder der zu Verhaftende betroffen wird. 
Die Bestimmungen der §§ 114—123 finden entsprechende Anwendung. 
§ 126. Der vor Erhebung der öffentlichen Klage erlassene Haftbefehl 
ist aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es beantragt, oder wenn nicht 
binnen einer Woche nach Vollstreckung des Haftbefehls die öffentliche Klage 
erhoben und die Fortdauer der Haft von dem zuständigen Richter angeordnet, 
auch diese Anordnung zur Kenntnis des Amtsrichters gelangt ist. 
Wenn zur Vorbereitung und Erhebung der öffentlichen Klage die Frist 
von einer Woche nicht genügt, so kann dieselbe auf Antrag der Staatsanwalt- 
schaft vom Amtsrichter um eine Woche und, wenn es sich um ein Verbrechen 
oder Vergehen handelt, auf erneuten Antrag der Staatsanwaltschaft um fernere 
zwei Wochen verlängert werden. 
Vorläufige Festnahme durch die Polizeibehörde. 
Zulässigkeit. 
§ 127. Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so 
ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Persönlichkeit nicht sofort 
festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterlichen Befehl 
vorläufig festzunehmen. 
Jedermann: auch jeder Privatmann; natürlich erst recht der Polizei- 
beamte. Der Fluchtverdacht ist nach § 112 Abs. 2 ohne weiteres begründet. 
Die Staatsanwaltschaft und die Polizei= und Sicherheitsbeamten sind 
auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines 
Haftbefehls vorliegen und Gefahr im Verzuge obwaltet. 
Bei strafbaren Handlungen, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, 
ist die vorläufige Festnahme von der Stellung eines solchen Antrags nicht 
abhängig. # 
Gefahr im Verzuge f. § 98. Die Voraussetzungen des Haftbefehls 
enthält § 112. Ob sie vorliegen, entscheiden Staatsanwaltschaft und Polizei- 
behörde bezw. der einzelne mit der Sache befaßte Beamte selbst. Herbeiziehung 
von Strafantrag sofort nach Verhaftung.
	        
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