72 II. Strafprozeßordnung. — Erstes Buch. — 9. Abschnitt.
Verfahren.
8 128. Der Festgenommene ist unverzüglich, sofern er nicht wieder in
Freiheit gesetzt wird, dem Amtsrichter des Bezirks, in welchem die Festnahme
erfolgt ist, vorzuführen. Der Amtsrichter hat ihn spätestens am Tage nach
der Vorführung zu vernehmen.
Die Zuführung seiten der Polizei hat unverzüglich zu erfolgen, d. h.
ohne Verzug, nachdem die notwendigsten Unterlagen für die Beurteilung des
Tatverdachtes für den Richter beschafft sind.
Hält der Amtsrichter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder die
Gründe derselben für beseitigt, so verordnet er die Freilassung. Anderenfalls
erläßt er einen Haftbefehl, auf welchen die Bestimmungen des 8§ 126 An-
wendung finden.
* 129. Ist gegen den Festgenommenen bereits die öffentliche Klage
erhoben, so ist derselbe entweder sofort, oder auf Verfügung des Amtsrichters,
welchem derselbe zunächst vorgeführt worden, dem zuständigen Gericht oder
Untersuchungsrichter vorzuführen, und haben diese spätestens am Tage nach
der Vorführung über Freilassung oder Verhaftung des Festgenommenen zu
entscheiden.
* 130. Wird wegen Verdachts einer strafbaren Handlung, deren Ver-
folgung nur auf Antrag eintritt, ein Haftbefehl erlassen, bevor der Antrag
gestellt ist, so ist der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer der-
selben, sofort von dem Erlaß des Haftbefehls in Kenntnis zu setzen. Auf den
Haftbefehl finden die Bestimmungen des § 126 gleichfalls Anwendung.
Die Polizeibehörde setzt zweckmäßig den Antragsberechtigten in Kenntnis
und zieht den Strafantrag herbei, wenn sie die Verhaftung bewirkt hat.
Steckbriefe.
§ 131. Auf Grund eines Haftbefehls können von dem Richter sowie
von der Staatsanwaltschaft Steckbriefe erlassen werden, wenn der zu Ver-
haftende flüchtig ist oder sich verborgen hält.
Ohne vorgängigen Haftbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung nur dann
statthaft, wenn ein Festgenommener aus dem Gefängnisse entweicht oder sonst
sich der Bewachung entzieht. In diesem Falle sind auch die Polizeibehörden
zur Erlassung des Steckbriefs befugt.
Der Steckbrief soll, soweit dies möglich, eine Beschreibung des zu Ver-
haftenden enthalten und die demselben zur Last gelegte strafbare Handlung
sowie das Gefängnis bezeichnen, in welches die Ablieferung zu erfolgen hat.