Full text: Der Fürstenzug auf dem Sgraffito-Fries am Königl. Schlosse zu Dresden.

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beherzigen! Ja, in der Heimatliebe liegt die Wurzel der Kraft eines jeden 
Volksstammes. Wie aus der väterlichen Scholle das ihrem Boden an— 
vertraute Weizenkorn in tausendfacher Gestalt entsprießt, um leibliche Nahrung 
zu geben, so wächst aus ihr und der Liebe zu ihr, jene ethische, geistige 
Nahrung, ohne welche die Völker moralisch verkommen müßten. Und wie 
jede Liebe, vertieft sich auch diese Liebe durch immer genaueres Kennen— 
lernen des zu liebenden Gegenstandes. 
Nicht nur auf die engere Familie der eigenen Sippe und der Geschlechts- 
vettern, nein, auch auf die erweiterte Familie der Volksgenossen und Stammes- 
angehörigen bezieht sich das Goethesche Wort: 
„Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, 
Der froh von ihren Taten, ihrer Größe 
Den Hörer unterhält; und still sich freuend, 
Ans Ende dieser schönen Reihe sich geschlossen sieht.“ 
So stehen unsere beiden großen deutschen Dichterfürsten mit ihren edlen 
Worten und treffenden Aussprüchen gewissermaßen an der Wiege der vor- 
liegenden patriotischen Darbietung, welche in ihrer Einfachheit — nur ge- 
tragen von glühender Liebe zu König und Vaterland — derjenigen Paten 
entratet, welche in der Jetztzeit so häufig für das Gedeihen eines Kindes, 
selbst der prosaischsten Muse, als unumgänglich nötig erachtet werden: 
Sensation und Reklame, Geschrei und Aufsehen. 
Entstehung des Sgraffito-Frieses. 
Eine der poetischsten, vom Hauche mittelalterlich-ritterlicher Vergangen- 
heit durchweheter Punkte — ja, man könnte, seiner verhältnismäßigen Kleinheit 
und relativen Abgelegenheit vom großen Verkehre wegen, beinahe sagen 
„Winkel“ in Sachsens schöner Hauptstadt Dresden ist unstreitig die alte 
„Stechbahn“, eine Zeit lang „Jagdhof“, jetzt „Stallhof“ genannt. 
Von dichtem, grün, braun und rot schimmerdem wilden Wein wie von 
treu rankendem Efeu gleich ehrwürdigen Alters besponnen und überwuchert, 
lugen die graugewordenen Giebelfassaden des alten Fürstenbaues — jetzt 
teilweise neu wieder hergestellt, wo sie verfallen waren — hervor, und blicken 
auf eine friedvoll eingeschlossene Umgebung, die malerischer und „feudaler" 
kaum gedacht werden könnte. 
Zwar ist der kleine eingemauerte Teich, der in alten Zeiten zur Roß- 
tränke und dann zum Wagenwaschen diente, jetzt leider eingetrocknet; und
	        
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