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ein solches Beispiel vom Throne herab gegeben muß vorbildlich wirken.
Den herben Becher des Leidens und der Schmerzen mußte dieser edle
Fürst bis zur Neige leeren. Der Zweig des giftigen Fingerhut, der sich
auf dem Sgraffito-Gemälde unter den Blumen befindet, die ihm gestreut
sind, deutet dies (so denke ich) sinnbildlich an. Aber, wie das Digitalis
als Arznei verwendet, Wunder tut, so hat jener Schmerz und jenes Leid
dazu geführt, daß die Liebe und die Treue zwischen Sachsens Fürsten und
Sachsens Volke nur noch fester wurden, und daß die segensreiche väter-
liche Fürsorge des Königs und seiner erlauchten Nachfolger dem kleiner
gewordenen Lande um so eingehender und wirksamer zum Heile und zum
Wohle diene.
Politisch-Geschichtliches.
VI.
Friedrich August des Gerechten Nachfolger, sein bereits im 72. Lebens-
jahre stehender Bruder Anton (1827— 1830), der zwar dieselbe vor-
treffliche Erziehung genossen hatte, wie der Verstorbene, war den Staats-
geschäften bisher gänzlich fern geblieben und hatte sich überhaupt nur sehr
wenig vor der Offentlichkeit gezeigt, so daß seine Persönlichkeit der großen
Menge des Volkes bei seiner Thronbesteigung beinahe gänzlich unbekannt
war, daher kam es, daß es den aus der französischen Revolution heraus-
geborenen, in allen Ländern verstreut existierenden Elementen des Umsturzes,
mit der Lust von bösen Dämonen alle Zufriedenheit untergrabend und allem
Vertrauen Hohn sprechend, für den ersten Augenblick gelingen konnte, wenn
auch noch so unbegründet, Mißtrauen gegen den neuen Herrscher auszustreuen.
Bald aber hatte man Gelegenheit, des Königs liebevolles gutes Herz aufs
eingehendste kennen zu lernen, und ist der schlagendste Beweis hierfür die
Tatsache, daß seine dankbaren Untertanen ihm den Namen „der Gütige
gegeben haben.1)
124) Eine auf verbürgter Wahrheit beruhende Anekdote möchte hier eingefügt werden.
Auf einer Reise durch das Land, welche König Anton anstellte, um kennen zu lernen und
kennen gelernt zu werden — und die, wenn auch nicht einem Triumphzug römischer
Imperatoren ähnlich, so aber doch die ungeheuchelte und ungeschminkte Liebe des Volkes
zu seinem Landesvater aufs eindringlichste zur Anschauung brachte — spielt diese Begebenheit.
Der eine gute Wegestrecke vor dem königlichen Wagenzuge voranreitende Adjutant fand am
Eingange einer kleinen Stadt des Gebirges die Bürger und den Bürgermeister in fröhlicher
Stimmung und mit erwartendem Herzen vor einer großen Ehrenpforte vereinigt, auf der
die Worte strahlten: „Anton dem Eroberer.“ — „Um Gottes Willen, meine Herren,“ sagt
der zu Tode erschrockene Offizier, „was haben Sie da gemacht? Diese Inschrift kann un-
möglich stehen bleiben. Wir wissen alle, wie gütig und gnädig unser erlauchter Herr ist
und wie sehr derselbe sich seines Landes annimmt. Aber Eroberungen hat er doch
niemals gemacht.“ — „Bitte, Herr Oberleutnant, lesen Sie nur weiter“ war die ruhige
Antwort des von der Richtigkeit seiner Handlungsweise durchdrungenen Hauptes der Gemeinde.