— 63 —
Herzog Albert jenem unheilvollen Gedanken widersetzt, solange es ihm
nur möglich war. An Bevölkerungszahl und wirtschaftlicher Leistungs-
fähigkeit waren die Wettiner Lande denen der Hohenzollern weit überlegen;
denen der Habsburger, die damals Böhmen und Ungarn noch nicht besaßen,
mindestens gleichwertig. Der jüngere der Wettiner Brüder mochte, wie in-
stinktiv die Mehrzahl der getreuen Untertanen, wohl einsehen, daß und wie
dieses günstige Verhältnis durch einen Federstrich in ein ungünstiges ver-
wandelt werden konnte — ja mußte. Die Schwächung des Hauses Wettin
mußte um so verhängnisvoller werden, als nicht nur die direkte Macht des-
selben, sondern auch seine indirekte Machtsphäre aufs empfindlichste leiden
mußte, gerade auch letztere aber nicht zu unterschätzen war; ja für eine
weitsichtige Politik hätte als unersetzlich gelten müssen.)
Der jüngere Bruder, Albert, auch Albrecht genannt „der Beherzte“,
regierte über den ihm zugefallenen Landesteil von 1485 bis 1500. Er,
der Stammvater der jetzt Königlichen Linie, zu dessen Ehre im Jahre 1850
König Friedrich August den Albrechtsorden stiftete, war einer der be-
rühmtesten Helden seiner Zeit und leistete, zusammen mit dem gleichnamigen
Kurfürsten von Brandenburg, durch hervorragende kriegerische Umsicht, Klug-
heit und Entschlossenheit dem von allen Seiten hart bedrängten Reiche un-
schätzbare Dienste. Als „des Kaisers und des Reiches gewaltiger Marschalk
und Bannermeister“, wie ihn voll Dankgefühl Friedrich III. nannte, focht
Albertus animosus in rühmlichster Weise gegen Karl den Kühnen von
Burgund, gegen Mathias von Ungarn, gegen die Niederländer und gegen
die Friesen. Der jugendliche Kaiser Maximilian (des Reiches letzter Ritter),
durch dessen Heirat mit der Erbtochter Maria von Burgund der Frieden
wenigstens nach Süden hin gesichert war, nahm den sächsischen Hektor (das
Seitenstück zum brandenburgischen Achilles) unter die Ritter vom goldenen
Vließ auf (zu denen nur hervorragende Fürsten gehörten) und verlieh ihm
die, freilich mit vielen Dornen verbundene, Würde eines erblichen Gubernators
über Friesland. Sein Sohn Heinrich, den Albrecht zum Vizestatthalter
einsetzte, brachte außerdem durch allerhand Unbilligkeiten und unkluge Maß-
regeln die Friesen — die eine eiserne Kette, an der er aufgehangen werden
41) Des großen Fehlers, den die Wettiner durch das Aufgeben ihrer einheitlichen
Machtstellung begingen, bedienten sich denn auch deren — wenn man so sagen darf —
Konkurrenten, die Hohenzollern, weidlich zu ihren Zwecken, die sich damals besonders um
Erlangung des übergewichtes an Saale und Elbe handelten. Erich Brandenburg, Privat-
dozent an der Universität Leipzig, sagt denn auch hierauf bezüglich sehr treffend: „Verlauf und
Ausgang des Kampfes um Magdeburg zwischen Wettinern und Hohengollern ist für die
Weiterentwickeluug der politischen Verhältnisse Norddeutschlands entscheidend gewesen. Nicht
nur um die wirtschaftliche Beherrschung der Mittel-Elbe wurde gerungen, obwohl darin das
unmittelbare Motiv für die leitenden Staatsmänner jener Tage lag, sondern es begann
schon damals, wie nur der Zurückschauende erkennt, der Kampf zwischen Brandenburg und
Sachsen um die führende Stellung in Norddeutschland. Magdeburg in den Händen der
Wettiner — läßt sich ein stärkeres Hindernis für die Ausbreitung der Machtsphäre des
Hauses Hohenzollern über den Westen Norddeutschlands denken?“