Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

— 150 — 
84. 
Französische Emigranten in Koblenz. 
17992. 
Quelle: Friedr. Christ. Laukhard, Leben und Schicksale, von ihm selbst 
beschrieben. Leipzig, 1792—1802. Bd. 3. (1796). S. 29—321). 
In Koblenz bin ich mit einer großen Menge von den ausgewanderten Fran- 
zosen so genau bekannt geworden, daß ich mich nicht enthalten kann, sie so zu be- 
schreiben, wie ich sie gefunden habe. Unser General hatte zwar verbieten lassen, 
mit den Emigranten zu sprechen oder uns sonst mit ihnen einzulassen, er glaubte 
nämlich, diese Herren möchten durch ihr Geld unsere Leute zur Desertion auf- 
fordern und sie in ihr Korps aufnehmen. Das hatten die Herren auch schon ge- 
tan und manchen gekirrt. Ich ging aber doch schon den ersten Tag in ein Wein- 
haus, wo Franzosen ihr Wesen trieben, und ließ mich mit ihnen in ein Gespräch 
ein. Aber abgeschmacktere Großsprecher habe ich mein Tage nicht gefunden, und 
ich kann es noch immer nicht begreifen, wie irgend ein Deutscher vor solchen Fran- 
zosen einige Achtung hat haben können. Diese elenden Menschen verachteten uns 
Deutsche mit unserer Sprache und unseren Sitten ärger als irgend ein Türke die 
Christen verachtet. Im Wirtshaus machte die Haustochter beim Aufwarten ein 
Versehen, und sacrée garce d'’allemande, chien d’allemand, béte d’'allemand 
waren die Ehrentitel, die diese Emigranten uns Deutschen anhängten. Unsere 
Sprache verstanden sie nicht und mochten sie auch nicht lernen, sie nannten sie 
jargon de cheval. de cochon — Pferde= und Schweinesprache uff. 
Und doch waren die Deutschen herablassend genug, diesen Emigranten zu 
hofieren und sie zu unterstützen. Darüber habe ich mich oft recht innig ge- 
ärgert und ärgere mich noch, wenn ich bedenke, wie geringschätzig uns die 
Koblenzer, die Trierer und selbst die Luxemburger gegen die Fremden behandelten. 
Die Emigranten hatten damals Geld noch vollauf und folglich das Mittel, sich 
alles zu verschaffen, was sie gelüstete. Aber sie haben's auch toll genug ver- 
schleudert. Die kostbarsten Speisen und der edelste Wein, der bei ihren Bac- 
chanalen den Fußboden herabfloß, waren für sie nicht kostbar und edel genug. 
Für einen welschen Hahn zahlten sie fünf Taler ohne Bedenken. Mancher Küchen- 
zettel, nicht eben eines Prinzen oder Grafen, sondern manches simpeln Marquis 
oder Edelmanns, kostete oft vier, fünf und mehr Karolinen. Die Leute schienen 
es ganz darauf anzulegen, brav Geld zu zersplittern, sie zahlten gerade hin, was 
man verlangte. Ich sagte einmal zu einem, daß er etwas zu teuer bezahle: le 
Français ne rabat pas, erwiderte er und gab sein Geld. 
1) Laukhard wurde 1758 in der Unterpfalz geboren, studierte in Gießen, Marburg, 
Jena und Göttingen Theologie und erhielt schon 1779 eine Anstellung im geistlichen Amt. 
Wegen seiner zügellosen Reden und seines anstößigen Wandels wurde er seines Amtes 
entsetzt, wurde aber im Jahre 1781 Lehrer am Waisenhaus in Halle. Durch fleißiges 
Studium brachte er es so weit, an der Universität das Magisterexamen zu bestehen, ließ sich 
aber kurze Zeit darauf, weil er seine Schulden nicht bezahlen konnte, als Soldat in Halle an- 
werben. Er machte 1792 den Feldzug in Frankreich mit und geriet in französische Gefangen- 
schaft, aus der er jedoch 1795 entkam. Er starb 1822 in Kreuznach als Privatlehrer. 
„Der vornehmen Darstellung, die Goethe von dem Feldzug des Jahres 1792 gegeben 
hat, dient Laukhards plebejischer, aber nicht minder wahrheitsgetreuer Bericht zur Be- 
stätigung und Ergänzung.“ Laukhards Selbstbiographie bildet eine der Hauptquellen für 
die Kultur= und Sittengeschichte der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
	        
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