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Das schöne Roggenbrot, das in Koblenz gebacken wird, wollte den edlen
Herren nicht behagen, sie aßen daher lauter Weizenbrot und nur dessen Rinde; die
Krume kneteten sie in Kügelchen und benutzten sie zu Neckwürfen bei Tische.
Andere warfen die Krume geradezu aus dem Fenster. Dies Benehmen hat jedoch
selbst die Koblenzer geärgert, und ich dachte mehrmals, nur Geduld, es wird schon
eine Zeit kommen, wo ihr weder Krume noch Rinde haben werdet. Das ist auch
bald hernach eingetroffen; denn schon auf der Retirade im Oktober 1792 haben
die sauberen Herren mehr Not gelitten als wir Preußen, wenngleich auch wir
rohen Weizen damals abbrühten und vor lauter Hunger aßen.
Die Emigranten waren alle lustige Brüder und Windbeutel von der ersten
Klasse. Den ganzen Tag schäkerten sie auf der Straße herum, sangen, hüpften
und tanzten. Sie gingen alle prächtig gekleidet und trugen schreckliche Säbel.
Diese wurden größtenteils in Koblenz verfertigt, und so hatten die dortigen
Schwertfeger Arbeit und Verdienst genug. Es ist überhaupt keine läppischere
Kreatur auf Gottes Erdboden als ein französischer Emigrant. Stolz und auf—
geblasen wie der Frosch in der Fabel, verachtet er alles, was nicht so wie er
Franzos und von Adel ist. Die preußischen Offiziere hatten gar nicht Ursache,
den Emigranten gewogen zu sein, denn diese haben sehr oft erklärt, daß der
preußische Adel wie überhaupt der deutsche Adel eine noblesse de roture, eine
noblesse bätarde sei, daß ein preußischer Oberst noch lange nicht nobel genug
wäre, um Mousquetaire (die Mousquetaires waren alle von Adel) in dem Hause
des Königs zu sein. So sprachen die Emigranten von unseren Offizieren, und
doch waren viele von diesen stolz darauf, mit solchen Messieurs umzugehen. Über-
haupt hätten unsere Deutschen sich schämen sollen, daß sie den französischen
Windbeuteln so nachliefen. Es war lächerlich anzusehen, wie mancher sonst brave,
ehrwürdige deutsche Mann diesen verächtlichen Possenkindern hofierte und sich
alle Mühe gab, ihre Gebärden und Manieren nachzumachen.
Von dem traurigen Sittenverderben, das die Emigranten in Deutschland an-
gerichtet haben, bin ich auch Zeuge geworden. Der ganze Rheinstrom von Basel
bis Köln ist von diesem Auswurf des Menschengeschlechts vergiftet und verpestet,
und die Spuren der greulichen Zerrüttung in den Sitten werden in jenen un-
glücklichen Gegenden noch lange erschrecken. Alle Landesherren, die französische
Emigranten in ihren Ländern begünstigten, haben sich an ihren Untertanen
jämmerlich versündigt. Freilich ist es hart, Flüchtlingen einen Zufluchtsort zu ver-
sagen, aber dazu durfte die Hand nicht geboten werden, ein Gesindel sich ein-
nisten zu lassen, das darauf ausging, deutsche Zucht und Ehrbarkeit zugrunde zu
richten. Hätte auch jeder ausgewanderte Franzose ganze Kasten voll Geld mit
nach Deutschland gebracht, so wäre das doch lange kein Ersatz für das Elend, in
das sie unsere Jugend gestürzt haben.
Es gab jedoch unter den Emigrierten einige, die sich mit ihrem Auswandern
übereilt hatten und ganz gern zurückgekehrt wären, wenn es ohne Gefahr und
mit Ehren hätte geschehen können. Sie hatten nicht alle willig und frei ihr
Vaterland verlassen. Was hätten sie aber unter den obwaltenden Zuständen tun
sollen? Die Prinzen, ein Condé, ein Artois, ein Monsieur forderten den Adel auf,
um die armée contre les révolutionnaires formieren zu helfen. Sie sprachen von
einem Einverständnis des Hofes mit den Hauptmächten Europas und schilderten
die Wiederherstellung der alten Verfassung durch deren Hilfe wie gewiß. Sie er-
klärten alle, die sich weigerten, hieran teil zu nehmen, als infam, als Verräter