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vielmehr der eigentliche Gesetzgebungsakt nichts äusserlich
Wahrnehmbares. Indessen hat Brie!) die Unrichtigkeit
dieser Theorie Jellineks nachgewiesen, und zwar u. a.
unter Hinweis darauf, dass nicht selten Verfassungen’?)
„über die Sanktion der Gesetze Bestimmungen treffen,
insbesondere auch die Form, die Zeit der Erteilung der-
selben u. s. w. regeln.‘“®) Und dieser Hinweis kann meines
Erachtens auch als Grund für die Unrichtigkeit der Auf-
fassung ins Feld geführt werden, dass sich Gesetzesinhalt
und -befehl begrifflich nicht trennen lassen. Wir kommen
also auf Grund der Annahme zweier Bestandteile eines
Gesetzes im materiellen Sinne, nämlich seines Inhalts und
seines Befehls, zu dem Schlusse, dass ein Gesetz durch
Erteilung des Gesetzesbefehls — der Sanktion — seitens
des betreffenden Organs entsteht.
Worin besteht nun im deutschen Reiche die Sanktion
der Gesetze und wer vollzieht sie? Liegt die Sanktion
vor der Ausfertigung und Verkündigung des Gesetzes oder
fällt sie vielleicht mit einem dieser Akte zusammen ?
Wohl allgemein anerkannter Massen ist die Sank-
tion als „der für die Entstehung des Gesetzes massgebende
Akt“‘) mit der „Gesetzgebung im staatsrechtlichen Sinne
des Wortes“ ?°) identisch, und da die Gesetzgebung eines
Staates das vornehmste Regierungsmittel der Staatsgewalt
ist, die „Frage nach dem Subjekt der gesetzgebenden
Gewalt“ gleichbedeutend „mit der Frage nach dem Träger
der Staatsgewalt‘“.°)
Die Beantwortung dieser letzteren Frage würde also,
wenn wir sie hinsichtlich des deutschen Reiches stellen,
N) a..2a.0.S. 21.
2) Französ. Verf. von 1791 titre III, chap. III, sect. III „De la
sanction royale“. Bayer. Verf. von 1818 Tit. VII, $ 30. Belgisches
Gesetz vom 23. Dezember 1865. ,
3) Des weiteren weist Brie a. a. O. darauf hin, dass, „wenn
auch andere Schriftsteller die Sache als inneren Vorgang bezeichnen“,
sie damit einen „Vorgang im Schosse der Staatsgewalt“ meinen
(H. Schulze, Preuse. Staatsr. II, S. 223).
4) Brie a. a. 0.
5) Laband a. a. O. IL, S. 6.