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steuer? Hier tobte auf der ganzen Linie ein heißer Kampf
und schwerlich gelang es, die verschiedenen Interessengegen-
sätze zu einem harmonischen Ganzen zu vereinen. Schon inner-
halb der II. Deputation dieser Kammer, die mit der Bericht-
erstattung über die Regierungsvorlage und die Beschlüsse der
II. Kammer beauftragt war, gingen die Meinungen über die Ver-
mögenssteuer schroff auseinander. Die Mehrheit der Depu-
tation entschied sich dafür, der Regierungsvorlage bzw. den
Beschlüssen der II. Kammer im großen und ganzen beizutreten.
Sie stimmte sonach der Einführung der allgemeinen Vermögens-
steuer sowie der „Außerhebungsetzung“ der Grundsteuer und
der zu diesem Zwecke von der II. Kammer beschlossenen Fiktion
der Grundsteuerentrichtung im Prinzipe zu. Im einzelnen {rei-
lich fehlte es auch hier an abändernden Beschlüssen nicht.
Sehr bemerkenswert ist ein von der Deputationsmajorität
zu dem Vermögenssteuergesetzentwurf beschlossenes Amende-
ment. Mit Rücksicht auf die aus den Kreisen der Gewerbe-
treibenden und Industriellen gegen die allgemeine Vermögens-
steuer erhobenen Bedenken, daß infolge lästigen Eindringens
in die Vermögensverhältnisse leicht der Kredit der gewerblichen.
Unternehmer gefährdet werden könnte, faßte sie nämlich den
Beschluß, daß den Gewerbetreibenden — ähnlich wie den Land-
wirten — das Recht eingeräumt werden sollte zu beantragen,
daß ihre Geschäftsgrundstücke sowie ihr Anlage- und Betriebs-
kapital nicht nach dem gemeinen Werte, sondern nach dem
Zwanzigfachen des Reinertrags zur Vermögenssteuer herange-
zogen werden sollen. „Als Reinertrag“ — so sollte festgesetzt
werden — „gilt der Betrag des unter $ 17 Lit. d. des Einkom-
mensteuergesetzes fallenden Einkommens, mit welchem der Bei-
tragspflichtige bei der gleichzeitigen Einschätzung zur Ein-
kommensteuer veranlagt wird, abzüglich jedoch eines Teilbe-
trags, welcher dem Anteil der eigenen geschäftlichen Tätigkeit
des Beitragspflichtigen an dem Ertrage des Gewerbebetriebes
entspricht. Dieser Anteil darf nicht höher als auf 3000 und
keinesfalls auf mehr als 30000 M. veranschlagt werden. Das
Zwanzigfache des ermittelten Reinertrags wird dem Werte des
sonstigen steuerbaren Vermögens des Beitragspflichtigen hin-
zugerechnet. Von dem gesamten Aktivvermögen kommen Ge-
schiftsschulden und Schulden, welche auf den zum Geschäfts-
vermögen gehörigen Grundstücken haften, nicht i “
(Ber. I 1901/02 Nr. 124). ‚ weht In Abzug
‚ „Auf ganz anderem Boden als die Majorität stand dagegen
die Minorität jener Deputation hinsichtlich der für die Steuer-
reform einzuschlagenden Wege. Sie hielt mit aller Energie am
Althergebrachten fest. Zwar trat sie dem genannten Beschlusse
der Deputationsmehrheit bei, stürmte aber im übrigen mit aller
Wucht gegen die Regierungsvorlage und die gefaßten Be-
schlüsse. Namentlich wollte sie die staatliche Grundsteuer als