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leichter Ansatz der Freilassung des sogen. Existenzminimums
zu erblicken sein möchte.!)
So viel von dem Veranlagungsverfahren der Gewerbe- und
Personalsteuer im einzelnen. —
Es dürfte zur Genüge dargelegt sein, daß die in jener „ein-
zigen“ Steuer zur Anwendung gelangten Mittel und Wege zur
Einschätzung der Steuerpf£lichtigen überaus mannigfaltig waren.
Diese Tatsache ist aber im Grunde leicht erklärlich, wenn man
erwägt, daß es sich in Wahrheit nicht um eine einzige Steuer,
sondern mindestens um drei verschiedene Steuergattungen han-
delte, die z. B. in Württemberg und anderen süddeutschen
Staaten regelmäßig voneinander getrennt erhoben wurden resp.
werden, nämlich um die Gewerbesteuer, die sogen. Einkommen-
steuer von Dienst und Beruf und die Kapitalrentensteuer, wenn
nicht noch jene Rangsteuer der Prädikatisten als eine besondere
Steuergattung auszuscheiden ist.
Übrigens waren — was hier zum Schluß bemerkt sei —
von der Gewerbe- und Personalsteuer (nach dem Gesetz von
1845) befreit im Grunde nur der Staatsfiskus, die Kirchen und
frommen und milden Stiftungen, daneben nur noch Personen
unter 18 Jahren, die mit einem Steuerbetrag von unter 10 Taler
eingeschätzt waren; endlich diejenigen, ‚von welchen ein Bei-
1) Es wird nicht uninteressant sein, die Entwicklung der Renten-
steuer in Sachsen mit jenen kurzen Worten vorzuführen, die sich in dem
Deputationsberichte der II. Kammer des Landtags 1863/64 finden. „In dem
neuen Gewerbesteuergesetz von 1834 — so heißt es da — wurde für Per-
sonen, die von ihrem Vermögen leben, eine Besteuerung von 15 Ngr. bis
30 Tir. dergestalt vorgeschrieben, daß das Maß derselben in der äußeren
Vergleichung der Verhältnisse mit denen der Beamten zu suchen sei.
Eine direkte Besteuerung des Renteneinkommens nach seinen wirk-
lichen Erträgen aber wurde wegen Schwierigkeiten der Ausführung ver-
mieden, obwohl man die prinzipielle Richtigkeit schon damals anerkannte.
Man fürchtete außerdem, daß die Steuer den Schuldnern der ausgeliehenen
Kapitalien aufgebürdet werden würde, daß man das Kapital aus dem Lande
treibe, dagegen wird geltend gemacht, daß wegen einer wirklichen Renten-
steuer, wenn sie nicht ganz übermäßig sei, niemand auswandern werde,
daß man durch niedrige Sätze der Rentiers die Arbeit höher besteuere als
den Müßiggang, daß die niedrige Steuer der Kapitalisten dieselben ab-
halten werde, höher besteuerte Grundstücke zu kaufen und gewerblichen
Unternehmungen beizutreten.
Schon 1845 aber wurde eine erhöhte Personalsteuer für Rentiers vor-
geschlagen, weil unverkennbar Mißverhältnisse vorhanden und die Be-
günstigung des ohnehin sicheren Renteneinkommens zu groß sei. Man
stellte deshalb einen neuen Tarif auf, nach welchem in 15 Klassen die ver-
schiedenen Einkommen mit 15 Ngr. bis 100 Tlr. besteuert wurden.
Es wurde indessen, trotz lebhafter Opposition, noch der Grundsatz
beibehalten, daß niemand zur Renten- und Gewerbesteuer zugleich zu ziehen,
sondern nur das hauptsächlichste Einkommen zu besteuern sei.
Schon 1849 erkannte man indessen die Ungerechtigkeit dieser letzteren
Bestimmung und legte nunmehr die Rentensteuer auf alle von Zinsen, Divi-
denden, Renten usw. herrührende Einkommen dergestalt, daß der Tarif in
36 Klassen eine Progressivsteuer von ca. !/, % bis 2°/, % vorschrieb“ (Landt.
Akt. 1863/64, Beil. zur 3. Abt. 1.Bd. II.K. 8.397).