Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 173 
und schließlich ihre Gefangenen schlachten und verzehren. Bei zivilisierten 
Völkern hört die feindliche Gesinnung auf, wenn die politische Notwendig- 
keit verschwunden ist, um so mehr bei Völkern eines und desselben Stam- 
mes, welche aufeinander angewiesen sind. Ein andrer Einwand, der 
hier gemacht wurde, besteht darin, daß man erst abwarten wolle, wie der 
Norddeutsche Bund sich gestalten wird, ehe man erklärt, ob man eintreten 
wolle oder nicht. Allein, bedenken Sie, meine hohen Herren, daß solches 
Abwarten für Bayern sehr gefährlich werden kann. Wer steht Ihnen 
dafür, daß die gegenwärtige Ruhe Europas ungestört bleiben wird? Tritt 
aber ein Ereignis ein, das diese Ruhe erschüttert, so steht Bayern allein 
und verlassen da. Was es aber heißt, keinen Fürsprecher, keinen Freund, 
keinen Alliierten zu haben, hat der Herr Staatsminister des Aeußern in 
Berlin zur Genüge erfahren. Ich halte es aber für zweckmäßiger, jetzt, 
wo noch alles im Flusse ist, wo man noch im Organisieren begriffen ist, 
die Stellung zum Norddeutschen Bunde zu erstreben, jetzt, wo es noch 
möglich ist, für die Selbständigkeit Bayerns und seiner Dynastie günstige 
Bedingungen zu erlangen, als anzuklopfen, um mich eines Bildes zu be- 
dienen, welches der sehr verehrte zweite Herr Präsident gebraucht hat, an 
einem fertigen Hause, das sozusagen kristallisiert ist, und dessen Tore ver- 
schlossen sein können. Dann werden wir entweder ausgeschlossen bleiben, 
oder wir müssen uns Bedingungen fügen, die für unfre Dynastie und 
für unfre Stammeseigentümlichkeit vernichtend sein können. Man hat 
auch gesagt, Preußen will unser Bündnis gar nicht; ich glaube die Stim- 
mung in Preußen zu kennen und muß behaupten, daß diese Abneigung 
gegen einen Bund mit Süddeutschland nur bei einer Partei, bei der so- 
genannten Kreuzzeitungspartei, existiert, der das konstitutionelle Leben in 
Süddeutschland ein Greuel ist. Das preußische Volk in seiner Majorität 
teilt diese Abneigung nicht und ebensowenig die Regierung. Wenn die 
preußische Regierung uns keinen Vorschlag gemacht hat, um uns zum 
Eintritt in den Bund oder zu einem Bündnisse einzuladen, so ist dies bei 
der Stellung Preußens zu Frankreich sehr natürlich. Dies kann aber für 
die süddeutschen Länder und ihre Vertreter kein Grund sein, ihre Meinung 
zu verschweigen. Ich sollte denn doch meinen, daß, wenn auch Preußen 
Grund hat, auf Frankreich Rücksicht zu nehmen, die deutsche Nation groß 
genug ist, zu sagen, was sie will, was sie für gut, für recht und für 
zweckmäßig hält für ihr eignes Wohl, unbekümmert, was jenseits des 
Rheins gewünscht und gehofft wird. Auch bin ich der Ansicht, daß die 
angebliche feindselige Stimmung in Frankreich gegenüber von Deutschland 
eine durch unlautere Parteibestrebungen künstlich gemachte ist. Das 
französische Volk ist zu großgesinnt, zu selbstbewußt und zu edel, um sich 
zu fürchten vor der Konstituierung eines geeinigten Deutschlands.
	        
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