Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

Anwenderecht — Anwerbung. 127 
Außer dem Anwaltszwang bestehen für den A. folgende Eigenthümlichkeiten: 
1. die mündliche Verhandlung ist behufs vorgängiger Information der Parteien und 
behufs Erreichung des Zweckes derselben, der vollständigen Unterbreitung des Streit- 
materials an das Gericht durch Schriftsätze, welche die Unterschrift des Anwaltes 
der betreffenden Partei tragen sollen und welche die Anwälte sich gegenseitig direkt 
zustellen, vorzubereiten (5 120 ff.). Die Unterlassung der Zustellung solcher Schrift- 
sätze führt aber niemals sachliche Nachtheile herbei, es sind vielmehr allein die Kosten 
einer in Folge dessen nothwendig werdenden Vertagung dem Schuldigen zur Last zu 
legen (§ 90). 2. Die Partei oder ihr Anwalt hat behufs Bewirkung von Zustel- 
lungen den Gerichtsvollzieher direkt unter Ausschluß der sonst zulässigen Vermittlung 
des Gerichtsschreibers zu beauftragen (§152), und die zuzustellende Abschrift ist von dem 
Rechtsanwalte zu beglaubigen (§ 156). 3. Die Ladung zu Terminen (mithin auch 
die Klageschrift, für welche eine solche stets wesentlich ist, 5 230) muß bei Strafe 
der Nichtigkeit die Aufforderung an den Gegner enthalten, einen bei dem Prozeß- 
gericht zugelassenen Anwalt zu bestellen, sofern die Zustellung nicht an einen 
solchen zu erfolgen hat. 4. Die Einlassungsfrist, d. h. der Zeitraum zwischen der 
Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung muß 
mindestens einen Monat, jede Ladungsfrift, d. h. die Frist in einer schon an- 
hängigen Sache zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstage min- 
destens eine Woche betragen (§58 243, 194). P. Hinschius. 
Anwenderecht (in einigen Gegenden auch Tretrecht oder Trepprecht genannt, 
Th. I. S. 501) ist die bei ländlichen Grundstücken dem Eigenthümer zustehende Befug- 
niß, bei der Bestellung des Ackers auf dem Grundstück des Nachbars den Pflug 
oder die Egge umzuwenden. Unter Tretrecht wird auch noch die weitere Befugniß 
verstanden, das Zugvieh beim Beackern auf das Nachbargrundstück übertreten zu 
lassen. Es findet sich indeß die Bestimmung, daß das A. nur zu der an den ein- 
zelnen Orten durch das Herkommen festgesetzten Zeit ausgeübt werden darf (Revid. 
Entw. des Eichsfelder Prov. R. [Berl. 1837] §146 und Motive S. 186 ff.). Das 
A. beruht nicht auf ausdrücklicher Bestellung, sondern auf einer Rechtsvorschrift; 
es ist somit eine gesetzliche Beschränkung des Eigenthums, die in den Nachbarver- 
hältnissen ihren Grund hat. Gemeinrechtliche Bedeutung hat dasselbe nicht, sondern 
kommt nur in Part. R. vor; doch ist es ein sehr altes einheimisches Rechtsinstitut 
(Montziger Gerichtsbuch in Senckenberg's corp. iur. Germ. t. I. 2. p. 55 Sgq.). 
Lit.: Prosch, Die Rechte der Nachbarn (Schwerin 1826), S. 77 ff. — Thomas, Syst. 
aller Fuldaischen Priv. R. (Fulda 1788 ff.), I. S. 259. — Reyscher, Württemb. Priv.R. 
(2. Aufl. Tübing. 1846 ff.), II. S. 9; vergl. hierzu aber das Württemb. Ges. v. 26. März 1862 
über Feldwege, Trepp= und Ueberfahrtsrechte. — Roth, Bayer. Priv.R., 123 Nr. 33 
e 3. 
Anwerbung für fremden Militärdienst. Ein Vergehen gegen die 
Militärhoheit. Die Werbung muß ohne Erlaubniß der Regierung erfolgen. Wer— 
ben zu Gunsten des Feindes begründet Landesverrath (88 88, 90, 3); Werben zur 
Kriegszeit (Oesterreich: und im Falle einer Kriegsgefahr) einen Auszeichnungsgrund 
des in Frage stehenden Delikts. — Thäter kann auch ein Ausländer sein. — Daß 
der Geworbene im Inlande noch militärdienstpflichtig sei, wird nicht vorausgesetzt. 
Ist es der Fall, so konkurrirt ideell eine Anstiftung zur Verletzung der Wehrpflicht 
6 141, 1). Eine Bestrafung wird nur eintreten können, wenn die Handlung in- 
nerhalb der Landesgrenzen begangen wurde (§ 4, 3). — Wer den ausländischen 
Werbern Landesangehörige zuführt, wird den Werbern selbst gleich behandelt. — 
Vielfach wird dies Delikt mit der Verleitung zur Desertion unter die nämlichen 
Bestimmungen gezogen. So im D. Straf G. (vergl. Oesterreich). Mit Unrecht, 
da es ein Anderes ist, einem Dienstverhältnisse aus dem Wege zu gehen, ein An- 
deres, das begründete zu verletzen. — Oesterreich weist die Aburtheilung den Mi- 
litärgerichten zu. 
Gsgb.: Deutsches StrafG B. § 141. — Oesterr. Straf GB. § 92. Merkel.
	        
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