132 Apothekergewerbe.
in dem größten Theile des Preußischen Staats neben einander Apotheken, welche auf
einem Realprivilegium und solche, welche auf einer Konzession beruhen. Der Unterschied
dieser privilegirten und konzessionirten Apotheken ist theoretisch ein sehr erheblicher;
jene ruhen auf einem selbständigen dinglichen Rechte, welches in das Hypothekenbuch
eingetragen, verpfändet, vererbt und an gualifizirte Pharmazeuten veräußert werden
kann; diese ruhen lediglich auf einer an die Person des jedesmaligen Gewerbetrei-
benden geknüpften Befugniß, welche erlischt, wenn Derjenige, dem sie ertheilt ist,
aufhört, sein Geschäft zu betreiben. In der Praxis dagegen tritt dieser Unterschied
kaum hervor, indem die konzessionirten Apotheken in den wichtigsten Beziehungen
den privilegirten gleich behandelt werden. Es wird nämlich allgemein gestattet,
daß das Geschäft nach dem Abgange des Konzessionirten, so lange, bis einem An-
dern die Konzession ertheilt worden, auf Rechnung des bisherigen Besitzers und
seiner Erben durch einen gqualifizirten Provisor fortgesetzt werden könne; ja es wird
sogar der Wittwe eines konzessionirten Apothekers während ihres Wittwenstandes
und den minderjährigen Kindern bis zu ihrer Volljährigkeit gestattet, die Apotheke
durch einen qualifizirten Apotheker verwalten zu lassen, und qualifizirten Söhnen
gleichsam ein Recht gegeben, solche gegen eine billige Taxe zu übernehmen. Es findet
überhaupt niemals eine ganz freie Auswahl des neu zu Konzessionirenden statt, da
sich der Grundsatz gebildet hat, beim Abgange eines Konzessionirten die Konzession
dem von dem Letzteren resp. dessen Erben präsentirten, persönlich qualifizirten Ge-
schäftsnachfolger zu verleihen, so daß thatsächlich Derjenige, welcher sich mit dem
Eigenthümer einer konzessionirten Apotheke, namentlich hinsichtlich des Erwerbs des
Grundstücks und der Utensilien, geeinigt hat, die Konzession erlangt. Doch ist man
daneben geneigt, die Anlage ganz neuer Apotheken thunlichst zu fördern.
Schon in den Motiven zu § 6 der Reichs-Gewerbe-Ordnung war der Erlaß
eines Reichs-Spezialgesetzes über das A., insbesondere über die Errichtung von
Apotheken, in Auesicht gestellt, zu dem die Vorarbeiten durch Beschluß des Bundes-
raths bereits angeordnet waren. Bei der Berathung der Gewerbe-Ordnung seitens
des Reichstags wurde dann zu § 6 eine Resolution beschlossen, die nach der Fest-
stellung bei der dritten Lesung (25. Mai 1869) dahin lautete, „den Bundeskanzler
aufzufordern, dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen der Be-
trieb des A. und der Verkauf der Arzneimittel für das ganze Bundesgebiet einheit-
lich geregelt werde“, während bei der zweiten Lesung (am 8. April 1869) der In-
halt dieses Gesetzes, in wesentlicher Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des sog.
Volkswirthschaftlichen Kongresses zu Weimar 1862, schon sehr wesentlich durch den
Zusatz bezeichnet war „unter Absehen von jedem Nachweis des Bedürfnisses und
der Lebensfähigkeit“, ein Prinzip, welches der Mehrheit schließlich doch bedenklich
schien, da die Frage noch nicht reif sei, auch nicht so beiläufig erledigt werden
könne. Zunächst überwog jedoch in den maßgebenden Kreisen die Ueberzeugung,
daß die Frage im Sinne der Gewerbefreiheit, vorbehaltlich einiger Restriktionen,
zur Lösung gebracht werden müsse; so die Erklärung des Präsidenten des Reichs-
kanzleramts vom 11. Nov. 1871 bei Gelegenheit der Richter'schen Interpellation;
und so der ausführliche Bericht der Petitionskommission vom 5. Juni 1872, der
übrigens zu einer Berathung im Plenum nicht gelangte. Dagegen lautete der Kom-
missionsbericht vom 29. April 1873 schon wesentlich anders, und auch der auf
Grund desselben unterm 23. Mai 1873 gefaßte Reichstagsbeschluß hat sich darauf
beschränkt, nur die Erledigung der Resolution vom 25. Mai 1869, d. h. eine für
ganz Deutschland geltende Neuregulirung, überhaupt zu urgiren. Das Interessan-
teste dabei war ein Schreiben des Professors Virchow, der sich ausdrücklich mit
dem Gutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen, welches gegen
die allgemeine Freigebung des A. votirt hat, einverstanden erklärte. „Man kann
nicht um einer mäßigen Zahl unzufriedener Apothekergehülsen zu Gefallen zu han-
deln, die größte Unsicherheit in den Verkehr mit den wichtigsten Heilmitteln bringen.