136 Arbeitseinstellung.
Die Ausstellung neuer A. ist außer den genannten Fällen auch bei nicht mehr
brauchbaren, verloren gegangenen, vernichteten A. gestattet. Schranken gegen den
Mißbrauch dieses Rechts sind einmal die nothwendige Aufnahme dieser Thatsache
in das A., dann die Bedingung einer Gebühr bis auf eine halbe Mark.
Alle die gedachten Vorschriften find natürlich auch strafrechtlich im Gesetze
garantirt.
Lit.: Ueber das Geschichtliche vgl. Lor. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre
u. des Verwaltungerechts. Landgraf.
Arbeitseinstellung. Darunter versteht man die gemeinschaftliche Unter-
brechung eines Arbeitsverhältnisses seitens der gewerblichen Gehülfen, Gesellen und
Fabrikarbeiter zu dem Behufe der Erlangung günstigerer Lohn= und Arbeitsbedingungen
(strike). Jede Unterbrechung zu anderen Zwecken, etwa im Kreise sozialer Selbst-
hülfe zur Gründung eines Konsumvereins, einer Kredit-, Rohstoff-, Lager-, Maga-
zingenossenschaft zählt nicht in den Rahmen der A. im engeren Sinne des Worts.
Man hat eine lange Zeit hindurch in dieser Form von Arbeitervereinigungen eine
Quelle der Gefährdung der öffentlichen Interessen und der Gesammtordnung erblicken
zu sollen geglaubt und beseitigte diese Möglichkeit durch das unbedingte Verbot
solcher Einungen. Man nannte das kurzweg die Koalitionsverbote. Es war das
um so seltsamer, da die Verbindungen der Arbeitgeber zur Einigung über den
möglichst niedrigen Lohn (look out) rechtlich alle Zeit unanfechtbar blieben. Frei-
lich findet sich diese rechtliche Auffassung in den Gesetzgebungen fast aller europäi-
schen Kulturstaaten wiederkehrend. Beispielsweise ist ein solches Verbot in dem Pa-
tente Kaiser Karl's VI. vom 16. Aug. 1731, Handwerksmißbräuche betreffend,
enthalten. Sogar schwere Freiheits= und Leibesstrafen sind dort gedroht. In
Frankreich ist dieser Standpunkt des Verbots noch heute nach seinem Code pénal
art. 414— 420 aufrecht erhalten: jede Verbindung von mehr als 20 Personen
bleibt ohne Genehmigung verboten, wenn auch das Gesetz von 1865 in Beziehung
auf die Versammlungen einige Freiheit gewährt hat. Dabei ist jene Bezugnahme
auf den Zweck der Lohnerhöhung keineswegs besonders genommen. Etenso in
Oesterreich: es ist Gehülfen verboten, willkürlich Feiertage und sogenannte blaue
Montage zu halten und unter sich ihre Verabredungen zu treffen, um durch ge-
meinschaftliche Arbeitsverweigerung oder durch andere Mittel von ihrem Dienst-
herrn Bedingungen zu erzwingen. — Unter der Entwicklung der Großindustrie
Hand in Hand mit den Erleichterungen des Verkehrs auf der einen Seite und der
sich bahnbrechenden Auffassung des Rechtsstaates andererseits ist man zu der Er-
kenntniß gelangt, daß sich diese Verbote eben doch nicht kontrolliren lassen und daß
solche Vereine, so lange sie sich in den Grenzen des Vereinsrechts halten, vielmehr
dazu dienen, um sowol die Interessen zum Bewußtsein von dem wirthschaftlich Er-
reichbaren zu bringen, und ihre Anstrengungen auf diese Weise auf das richtige
Maß zurückzuführen, als auch die Ausbeutung sowol der Arbeit durch das Kapital,
als die des Kapitals durch die Arbeit zu hindern. Soweit aber freilich die Grenzen
des Vereinsrechts dabei überschritten werden, soll mit der größten Strenge vor-
geschritten werden. Diesen Standpunkt hat geschichtlich zuerst England eingenommen:
1824 durch 5. Geo. IV c. 95, um freilich schon ein Jahr später wieder einen
Schritt rückwärts in dem Gesetze 6. Geo. IV C. 129 zu machen, und erst am
13. April 1850 die volle Koalitionsfreiheit einzuführen. Die nächste Folge war
dort, wie später unter gleichen Umständen auch in Deutschland, die Erstarkung von
Arbeiterverbänden, welche das Schwergewicht ihrer Wirksamkeit in dem steten Ge-
rüstetsein zum Lohnkampf erblickten: trade-unions, Gewerkvereine. Sie entfalteten
natürlich in England mit seiner glücklichen geographischen Arbeitstheilung eine
ungleich andere soziale Macht, als das bei der örtlichen Zersplitterung der deutschen
Industriezweige bisher möglich war. Die Schweiz und die Vereinigten Staaten von