Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

Ausschließung der Gerichtspersonen. 205 
Anstellung Verwandter an einem Gericht nur konstitutionelle, nicht aber kraft Ge- 
setzes eintretende prozessuale Folgen mit sich. Vom Richteramt sind ferner wegen 
angenommener Unvereinbarlichkeit der verschiedenen Standpunkte, theils auch zu- 
folge des Grundsatzes, daß das Urtheil unmittelbar aus dem Eindruck der Haupt- 
verhandlung geschöpft werden soll, ausgeschlossen: 2) wer in einer Sache als Zeuge 
oder Sachverständiger vernommen wurde; 3) wer in einem Straffall als Beamter 
der Staatsanwaltschaft oder der Polizei, als Vertheidiger oder als Anwalt des 
Verletzten thätig war, — ferner für Entscheidungen außerhalb der Voruntersuchung 
der Untersuchungsrichter und für das Hauptverfahren vor der Strafkammer der 
Verweisungsreferent; 4) wer in einem Civilprozeß Bevollmächtigter, Beistand, Ver- 
treter ist oder war; 5) wer im schiedsrichterlichen Verfahren oder in einer früheren 
Instanz bei einer wegen Anfechtung neu zu prüfenden Entscheidung mitwirkte. — 
In allen diesen Fällen hat das neue Reichsrecht, ohne eine weitere Nachforschung, 
ob Befangenheit wirklich bestehe, zuzulassen, als prohibitives Gesetz zur Wahrung 
des Ansehens des Richterstandes die A. verordnet. Der Richter muß sich aller, 
selbst der eiligen Handlungen enthalten und, wenn er Zweifel hegt, ob ein A.sgrund 
vorliegt, die Entscheidung des entsprechenden Kollegialgerichts einholen; die Prozeß- 
parteien können einen solchen in jeder Lage des Verfahrens durch Ablehnung gel- 
tend machen und die Handlungen eines ausgeschlossenen Richters als absolut nichtige 
je nach ihrer Art mittels Beschwerde, Berufung, Revision oder Nichtigkeitsklage 
umstoßen lassen. — Infofern wegen A. eines Richters und Mangels eines 
Stellvertreters das Gericht nicht fungiren kann, so wird ein demselben koor- 
dinirtes Gericht durch die Oberinstanz zur Uebernahme der Sache bestimmt. — 
Die Bestimmungen vom Richter (Handelsrichter, Geschworene und Schöffen sind 
hier eingeschlossen) gelten auch für den Gerichtsschreiber und sind analog auf 
den Gerichtsvollzieher ausgedehnt. Für die Staatsanwaltschaft, für deren Akte 
schon deshalb, weil sie meist nur Anträge sind oder der richterlichen Bestäti- 
gung unterliegen, die Androhung der Nichtigkeit nur ein Bedürfniß des Rechts- 
schutzes ist, wurde bei dem Devolutions= und Substitutionsrecht eine gesetzliche 
Regelung unterlassen und durch Dienstvorschriften dafür vorgesorgt, daß die Beamten 
dieses Dienstzweigs bei besonderen Beziehungen nach Erledigung des Eiligen die 
Straffache abgeben. Für die Rechtsanwaltschaft bestehen bei der Natur ihres Be- 
rufs keine Vorschriften dieser Art. Gerichtsärzte und andere beamtete Experten 
(z. B. Dolmetscher) gehören zu den Sachverständigen, die niemals kraft Gesetzes 
ausgeschlossen find. Das Part. R. hat die A.s gründe auch für den Bereich der frei- 
willigen Gerichtsbarkeit nachgebildet, wobei zu beachten, daß nichtige notarielle 
Akte noch als Privathandlungen wirken können. — Das Oesterreichische Prz.R., 
welches überdies die A. der Staatsanwälte gesetzlich regelt, stellt, wennschon mit 
Abweichungen, für das Richteramt ähnliche Grundsätze auf. Zahl und Umfang 
der A.sgründe sind übrigens mehr ausgedehnt. So werden einbezogen: weitere 
Verwandtschaftsgrade, Brautschaft, das Verhältniß der Gläubiger= oder Schuldner- 
schaft, Verwandtschaft des Richters mit dem Staatsanwalt oder dem Vertheidiger 
oder in gewissen Fällen selbst mit dem Untersuchungsrichter oder mit dem unter- 
richterlichen Referenten; eigene außerdienstliche Wahrnehmungen schließen den Richter, 
auch wenn er nicht vernommen, aus und an einer zufolge Berufung oder Nichtig- 
keitsbeschwerde erneuerten Hauptverhandlung erster Instanz dürfen die früheren 
Richter nicht Theil nehmen. 
Luellen: I. 51 D. 4, 8S. Const. un. C. 3, 5. — GW. SFS 116, 156. — CPO. SF 41—49, 
472, 513 2, 530, 542 2. — StrafP O. #§ 15, 22—32, 279, 346, 354, 377 :. — R.Anwalts- 
Ordnung, § 14. — Oesterr. Gerichtsinstruktion (1853), 8§§ 17—19, 52, 56. — Oesterr. Notar.= 
Ordnung (1871), § 33. — Oesterr. StrafP#O. (1873), 8§8 67—71, 75, 76, 281,“J. 4 
Lit.: Renaud, Civ. Prz., § 13. — v. Bayer, Civ. Prz., § 80. — Zachariä, Straf- 
verf., §§ 51—53. — Ullmann, Oesterr. Straf Prz.N., §§ 41, 58. — Puchelt, Komm. zur 
CPO., §§ 41 ff. — Löwe, Komm. zur Straftrz. Ordn., §§ 22 ff. — v. Holtzendorff, 
Straf Prz.R., I. S. 166 ff. v. Jagemann.
	        
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