Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

238 Baurecht. 
Inbegriff der Normen über die Ausübung, hauptsächlich aber über die Beschränkung 
dieser Befugniß. — Die Frage, ob im Eigenthum an einem Grundstück das Recht 
zu bauen enthalten sei, ist vom Standpunkt des Priv. R. eine müßige, da ihre 
Bejahung von selbst aus dem Begriff des Eigenthums folgt; ebenso unzweifelhaft 
aber ist das Recht des Staates, den Eigenthümer in dieser Befugniß aus Gründen 
des allgemeinen Wohls zu beschränken; eine andere Frage ist die, ob die Ausübung 
dieses Rechts des Staats lediglich in das Ermessen der Verwaltungsbehörden ge- 
stellt, oder aber an bestimmte gesetzlich normirte Voraussetzungen geknüpft, ins- 
besondere inwiefern für die Beschränkungen Entschädigung geleistet werden soll; aber 
auch da, wo das B., bzw. dessen Beschränkungen gesetzlich normirt werden, kann 
diese Normirung doch immer nur im Allgemeinen erfolgen; das Ermessen der Ver- 
waltungsbehörde — sei es der unmittelbaren Organe des Staats, der staat- 
lichen Polizei oder der Organe der Selbstverwaltung der Gemeinde — 
hat sich alsdann innerhalb der vom Gesetz gezogenen Schranken zu halten; gegen 
eine Verletzung dieser gesetzlichen Schranken muß der Weg zum Richter (Verwal- 
tungsgericht) offen stehen; ebenso, wenn eine Gemeinde innerhalb des ihrer Auto- 
nomie eingeräumten Kreises Ortsbaustatuten aufstellt und diesen zuwider gehandelt 
wird. Zweifelhaft ist die Zuständigkeit der Civilgerichte gegenüber der Verwal- 
tungsjustiz in den aus dem sogen. Nachbarrecht entspringenden Baustreitigkeiten; 
insbesondere kommt hier die Anwendbarkeit der römischrechtlichen Vorschriften auf 
die heutigen Verhältnisse in Frage. 
Bezüglich des Röm. R. ist zu unterscheiden zwischen der Befugniß zu bauen 
und der Befugniß, die bestehenden Bauten beliebig zu benutzen. Die erstere Be- 
fugniß steht dem Grundeigenthümer nahezu unbeschränkt zu, wobei aber selbst- 
verständlich ist, daß er sich mit dem Bau auf seinem Grund und Boden zu 
halten hat; eine Ueberschreitung desselben kann nur auf Grund von Dienstbarkeiten 
erfolgen; eine Ausnahme bildet die Bestimmung, daß der Nachbar die Aus- 
weichung der fremden Mauer in seinem Luftraum unter einem halben Fuß dulden 
muß (1. 17 pr. si serv. vind. 8, 5). Umgekehrt ist der Eigenthümer in der freien 
Verfügung über sein Eigenthum insofern beschränkt, als er den Luftzug zu der 
Tenne (area) des Nachbars nicht verbauen darf (1. 14 § 1 C. de servit. et aqdua 3, 34). 
Kontroverse: ob der sogen. Neidbau, d. i. derjenige Bau, welcher blos zur Chikane 
des Nachbarn vorgenommen wird, verboten sei! bejaht von Vangerow, Pand., 
§ 297; Windscheid, Pand., § 166 Nr. 6; Sintenis, Civilrecht, Bd. I. 
S. 234 Nr. 6; verneint von Wächter, Mürtt. Privatrecht, II. S. 194; Ihering, 
Jahrbb. für Dogmatik, Bd. VI. S. 203 ff. Zwei Anwendungen des Satzes finden 
sich in 1. 1 § 12, I. 2 §9 D. de aqua et adq. plur. arc. 39, 3; als allgemein 
gültiges Prinzip ist derselbe nirgends aufgestellt; unbestritten ist, daß ein Bau 
deshalb, weil er dem Nachbar einen bisher genossenen Vortheil entzieht, nicht ver- 
hindert werden kann; wichtigste Anwendung hiervon, daß es nicht verboten ist, 
dem Nachbar seinen Brunnen (d. h. den Zufluß zu demselben) abzugraben. — 
Gesetzliche Vorschriften über den zwischen den Häusern zu beobachtenden Abstand, 
über das Verbauen von Licht und Aussicht u. dgl. wurden erst in der späteren 
Kaiserzeit (insbesondere von Kaiser Zeno in der unglossirten 1. 12 C. de aedif. 
briratis 8, 10) erlassen. — Nicht ebenso unbeschränkt ist der Eigenthümer in der 
Befugniß, die auf seinem Grund und Boden befindlichen Bauten beliebig zu 
benutzen; gegen eine nicht aus der gewöhnlichen Benutzung sich ergebende Be- 
lästigung durch Rauch, Dampf, Staub u. dgl. soll nach herrschender Lehre in 
Folge der 1. 8 8§ 5 u. 6 D. si serr. Fvindic. 8, 5 der Nachbar durch die Eigen- 
thumsklage (actio negatoria) sich schützen können; daß der Nachbar besondere Vor- 
richtungen, durch welche ihm Wasser, Rauch 2c. zugeleitet werden wollen, nur in 
Folge einer Dienstbarkeit zu dulden braucht, versteht sich von selbst; hinsichtlich 
der auf natürlichem Wege (Bodenbeschaffenheit, Luftzug) für den Nachbar sich er-
	        
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