326 Beschwerde.
torien blieben die älteren obersten Behörden der einzelnen Landestheile als „Statt-
halterschaften“, „Regierungen“ 2c. mit noch etwas weiteren Gewalten stehen.
Als oberste Kontrollinstanz bestanden endlich die Reichsgerichte für Fälle
der Justizverweigerung und für die verwaltungsrechtliche querela.
Frühzeitig beginnt nun aber die Exemtion der großen Fürstenthümer von der
Kompetenz der Reichsgerichte durch privilegia de non appellando. Die Landes-
herren mußten einen Ersatz dafür gewähren, durch die neu entstehenden Oberappel-
lationsgerichte. Auf diese neuen Behörden ging nun auch die verwaltungsrechtliche
duerela in Polizei-, Regal= und Steuersachen über, und in einigen kleineren Terri-
torien hat dies Verhältniß bis in das 19. Jahrhundert fortgedauert. In Hessen-
Kassel namentlich blieb die querela mit dem Oberappellationsgericht verbunden
und durch eine kurhessische Verordnung von 1817 wurde dafür der gewöhnliche
Civilprozeß eingeführt, — ein Verhältniß, auf welches die irrige Vorstellung gebaut
wird, als ob in Deutschland in verwaltungsrechtlichen Streitfragen der ordentliche
Rechtsweg von Hause aus stattgefunden habe, und als ob die Abweichungen davon
in den größeren Staaten eine spätere Entartung sei.
In den größeren Staaten hat sich vielmehr die Trennung der Verwal-
tung von der Justiz als eine gebieterische Forderung des praktischen Lebens
geltend gemacht, da das „selbstthätige Eingreifen der Staatsgewalt nach den täg-
lichen Bedürfnissen der Gesellschaft" nun einmal andere Organe und Einrichtungen
bedingt als die Rechtsprechung, da die Geschäftsformen und Berufsgewohnheiten
des Richteramts sich auf die Dauer ebenso unvereinbar mit den Anforderungen an
eine bewegliche prompt eingreifende Amtsstelle erweisen wie umgekehrt. Das Be-
dürfniß und der Nothstand in allen Richtungen war am hoöchsten gesteigert in den
Staaten des Großen Kurfürsten nach dem dreißigjährigen Kriege, und von
jener Zeit an blieb Preußen an der Spitze der Verwaltungsreformen nach den Be-
dürfnissen des heutigen Lebens.
In der Lokalverwaltung kommen mit dem Großen Kurfürsten jene „Kriegs-
kommissarien“ in Gang, denen unter Friedrich I. der Amtstitel „Landrath“ beigelegt
wird. Es ist das vom patrimonialen Element befreite Staatsamt, welches kontrol-
lirend neben die Gutsobrigkeiten und Domänenämter des platten Landes tritt und
welches in Verbindung mit den königlichen Steuerräthen der Städte, die noth-
wendige Verbindung, Ergänzung und stetige Kontrolle zwischen der Staats= und
Ortsverwaltung herstellt, als eine Amtsstelle, welche in kontinuirlicher Fürsorge
für das öffentliche Wohl selbst verfügt, wo die Ortsobrigkeit das Nothwendige
zu thun unterläßt und korrigirend an die Stelle tritt, wo die Ortsobrigkeit in
ihren Maßregeln fehlgreift.
In Verbindung damit tritt die Neubildung der provinziellen Verwaltungs-
kollegien in Gestalt der Kriegs= und Domänenkammern, den später soge-
nannten Regierungen, nochmals zu einem ergänzenden Eingreifen, zu einer Kor-
rektur der Verwaltungsverfügungen und zur Bildung gleichmäßiger provinzieller
Verwaltungsmaximen.
Als Abschluß tritt in den größeren Staaten ein Geheimer Staatsrath hinzu,
der sich unter Friedrich Wilhelm I. in Gestalt des „Generaldirektorium“ als
Centralbehörde der Inneren, der Finanz= und der Kriegsökonomie-Verwaltung formirt,
zur Korrektur der einzelnen Maßregeln, wie zur Bildung allgemeiner Verwaltungs-
maximen.
Von unten herauf bis an diese Centralstelle ging nunmehr das System der
Verwaltungs-B. in Polizei-, Regal-, Steuersachen über. Die freiere Stellung der
neugestalteten Behörden und ihre stetige geschäftliche Verbindung mit den unteren
Instanzen gab aber dem schwerfälligen und wenig wirksamen System der reichs-
gerichtlichen qguerela die sachgemäße Ausdehnung und Wirksamkeit. Das System
der Abberufung (vrit of certiorari), welches in England nur den Reichsgerichten
zusteht, erstreckt fich hier von oben nach unten in drei Instanzen.