Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

Abtreibung der Leibesfrucht. 31 
früher waren noch üblich: Abtrennen der Eihäute mit dem Finger, Reiben der 
Gebärmutter, Saugen an den Brustwarzen, Kohlensäure-Douchen, Galvanismus, 
Elektrizität, heiße Bäder, reizende Klystiere u. A. 
Die A. wird in verbrecherischer Absicht meist schon im dritten bis fünften 
Monat vorgenommen. Zuerst werden gewöhnlich Mittel angewendet, welche die 
Menstruation wiederhervorrufen sollen, deren Erfolg in der Regel gleich Null ist; 
so Fußbäder, Bähungen, leichtere Abführmittel, Safran; dasselbe gilt wol auch 
von Absynth, Borax, Beifuß. Relativ wirksamer sind diejenigen Mittel, welche 
einen starken Blutzufluß zu den Unterleibs= und namentlich Geschlechtsorganen 
herbeiführen: Starke Gaben von drastischen Abführmitteln, Kanthariden, Terpentinöl, 
Ingweröl, Rainfarrnöl, Rosmarinöl. Erfolg hatte mitunter Fingerhut, Jod. Sade- 
baum, dessen Blätter im Aufguß, in Abkochung oder als Pulver (von grüner 
Farbe und unangenehm-scharfem Geruch) häufig gebraucht werden, ist wahrscheinlich 
nur durch die zugleich dabei stattfindende Vergiftung wirkfam. Mutterkorn ist 
namentlich in der späteren Zeit der Schwangerschaft gefährlich. Nach Einwirkung 
von Schwefelkohlenstoff und anderen schädlichen Gasen, durch Vergiftung mit Phos- 
phor, gewissen Metallen erfolgt die Fehlgeburt als Wirkung des Giftes. Von 
mechanischen Mitteln wird, abgesehen von äußeren Mißhandlungen, am häufigsten 
der Eihautstich angewendet, und zwar meist in roher Weise, mittels Stricknadeln, 
Federn, Haarnadeln, mit dem Finger, mit Holzstäbchen u. A. Die dabei statt- 
findenden Verletzungen können bis zu einer Zerreißung der Gebärmutter gehen, die 
dann an der Leiche von einer spontanen, durch die Geburt bewirkten, bald leicht, 
bald schwer zu unterscheiden sein wird. Zu beachten werden bei der Sektion sein: 
Verletzungen des kindlichen Körpers, Stiche, Wunden, Zerreißungen der Gebär- 
mutter in Folge von Krankheiten des Gewebes derselben (nur diese können eine 
Zerreißung der Gebärmutter schon in der Schwangerschaft bewirken), der Sitz der 
Verletzungen, Entzündungen in der Umgebung, Zeichen stattgehabter Geburt 
(namentlich gelber Körper im Eierstock). Außerdem ist Anwesenheit von verdäch- 
tigen Bestandtheilen im Magen 2c. im Auge zu behalten. 
Fahrlässige A. kann namentlich vorliegen bei ärztlichen Untersuchungen mit 
der Gebärmuttersonde. Beachtenswerth ist auch, daß Operationen an den Geschlechts- 
theilen Schwangerer leicht die Schwangerschaft unterbrechen können. 
Fälle von simulirtem Abort berichten Casper, Tardien, Taylor. 
Lit. Tardieu, Etude médico-légale sur I'Avortement, Paris 1868. — Brillaut- 
Lanjardière, De PAvortement provoqué. — Wo odmann- I.idy, A handy-bock of 
forensic medieine, London 1877. — Legrand du Saulle, Traité de médécine Egale, 
Paris 1874. — S. auch die Lit. bei dem folgenden Art. Kornfeld. 
Abtreibung der Leibesfrucht (strafrechtlich). Nach Röm. R. nur be- 
dingungsweise strafbar, wenn andere Rechte, außer der Leibesfrucht selbst verletzt 
waren, wird A. wesentlich unter dem Einfluß kirchlich christlicher Ansichten 
als Tödtungsverbrechen behandelt. Die schiefe, dem Kan. R. entsprungene Unter- 
scheidung des Verbrechensobjektes in einen foetus animatus et nondum animatus, 
welche auch in die C. C. C. 133 übergegangen war, ist gegenwärtig allgemein 
als physiologisch und juristisch unhaltbar erkannt. Das D. Straf G. zählt die 
A. zu den Verbrechen gegen das Leben und verhängt Zuchthausstrafe bis zu 
fünf Jahren oder beim Vorhandensein mildernder Umstände Gefängniß gegen die 
Schwangere oder deren Gehülfen. Oualifizirte A. ist vorhanden, wenn die A. 
ohne Willen und Wissen der Schwangeren bewirkt wird, wenn der Tod der 
Schwangeren verursacht ist, oder die A.-Mittel gegen Entgelt verschafft oder an- 
gewendet sind. In den Fällen der qualifizirten A. sind mildernde Umstände aus- 
geschlossen. Der Thatbestand der A. erfordert 1) dolus, dergestalt, daß fahrlässige, 
eine Frühgeburt oder Ausstoßung des foetus bewirkende Handlungen weder an der 
Schwangeren, noch — in Ermanglung eines anderweitig etwa. vorhandenen De- 
liktes der Körperverletzung — an Dritten (anders, als in Belgien) nicht geahndet
	        
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