Abwesende. 33
Lit:: Kräwel, Bedenken über das Französische Wesen der Deutschen lEntwürse, S. 56.
— Shlim! Kommentar, Bd. J, S. 456. — Martin, Vorlesungen, Bd. II, S. 134 u. 141,
181. — Renaud, Lehrbuch, 5# 76 u 198. — Mittermaier im Archiv l1. achitit. Praxis,
Bd. 5, S. 355 u. Bd. 11, S. 442.— Krüger, ebend. Bd. 36, S. 208, 217. —
Stricthorst, Archiv, Bd. 2, S. 206. Bd. 57, S. 295. Bd. 60, S. 308. n 1. S. 379.
Bd. 77, S. 33. — Sarwey, Puchelt, Gaupp, Seuffert, Kommentare zum 8 193 der
D. CPO. v. Kräwel.
Abwesende, Strafverfahren gegen (John, Th. I. S. 780. 782). Das
Röm. R. verfuhr gegen Beschuldigte, welche auf zugestellte Ladung ausgeblieben
oder bei derselben nicht betroffen waren, mit Ladungen durch magistratische Edikte,
bei deren Erfolglosigkeit gegen den A. eine Verurtheilung zu Geld= und Vermögens-
strafen immer zulässig war, in Kapitalsachen aber zwar ausnahmsweise auf Relegation
erkannt, regelmäßig jedoch von Kognition und Endurtheil über die Hauptsache ab-
gesehen wurde. Letzteres geschah nach dem Grundsatze: ne absens damnetur, einem
Grundsatz, der in der zweifelhaften Gerechtigkeit einer ohne Gehör des Beschuldigten
erfolgenden, möglicherweise auf leere Präsumtion des Geständniffes gebauten Ver-
urtheilung und in der voraussichtlichen Unmöglichkeit der Vollstreckung gegen die
Person des A. seine natürliche Erklärung findet. — Der italienische Akkusations=
prozeß des Mittelalters adoptirte Grundsätze und Verfahren des Röm. R., der Inqui-
sitionsprozeß dagegen gestattete auch in schwereren Fällen nach vorgängiger Ediktal-
ladung, welche seit der Glossatorenzeit als öffentlich bekannt gemachte Ladung auf-
gefaßt wurde, zur Kognition und Entscheidung in der Hauptsache fortzuschreiten.
Hierin hat sich ihm der C. d'Instr., und zwar bei crimes unter Gütereinziehung
und Untersagung der Ausübung der Staatsbürgerrechte, angeschlossen, wogegen in
Deutschland Theorie und Gesetzgebung des neueren Inquisitionsprozesses, unter
Herabsetzung der Ediktalladung zu einem selten benutzten Sistirungsmittel, sich den
römischen Grundsätzen wieder zuwandten. Die neueren StrafPO. in Deutschland
haben sich zu einem Theil dem Franz. R., zu einem anderen mehr dem Röm. R.
angeschlossen, so namentlich auch die Württembergische von 1868 und die
Oesterreichische von 1873. Die letztere gestattet, abgesehen von der Anwendung
der möglichen Sistirungsmittel, gegen A. die Voruntersuchung zur Sicherung des
Beweises und die Versetzung in den Anklagestand und läßt sodann, wenn dem
Angeklagten die Ladung zur Hauptverhandlung nicht zugestellt werden kann, auf
Begehren des Anklägers öffentliche Vorladung und bei Nichterscheinen des Ange-
klagten Untersagung der Ausübung der Staatsbürgerrechte eintreten; wenn dagegen
die Vorladung dem Angeklagten persönlich zugestellt, derselbe auch in der Vorunter-
suchung vernommen ist und es sich um ein Verbrechen oder Vergehen handelt, für
welches Freiheitsstrafe nicht über fünf Jahr gedroht ist, so gestattet sie auch Haupt-
verhandlung und Entscheidung in der Sache selbst, gegen welches Urtheil jedoch Ein-
spruch möglich bleibt; im Uebrigen hat die Hauptverhandlung bis zum Erscheinen
des A. auf sich zu beruhen. — Die Deutsche StrafPO., ausgehend von der Auf-
fafsung, daß die Regel: ne absens damnetur nur Kognition und Urtheil des er-
kennenden Richters ohne vorgängiges Gehör des Beschuldigten ausschließe, nicht
aber die Aufnahme der Beweise, die vom Standpunkte des Beweises zum ewigen
Gedächtniß immer gerechtfertigt sei, verstattet, abgesehen von der möglichen An-
wendbarkeit der Vorführung, Verhaftung und anderer Sistirungsmittel, gegen A.
immer die vorbereitenden Prozeduren einschließlich der Eröffnung des Haupt-
verfahrens. Die Hauptverhandlung anlangend, unterscheidet sie sodann zwischen
„abwesenden“ Angeklagten in technischem Sinne, welche wegen Unbekanntheit ihres
Aufenthaltsorts oder Aufenthalt im Auslande zur Hauptverhandlung nicht geladen
oder nicht sistirt werden können oder der Kosten wegen oder aus anderen Gründen
nicht sistirt werden sollen, und solchen, welche, der richterlichen Gewalt erreichbar,
auf zugestellte Ladung zur Hauptverhandlung ausgeblieben oder auf dieselbe zwar
erschienen find, aber sich vor der Verkündung des Endurtheils, jedech nach Ver-
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl.