Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

Beweisverfahren. 371 
Folgen der gesetzlichen B. in Deutschland, wo man nach der Rezeption des fremden 
Rechts zunächst das romanische System noch durch weiteren Ausbau künstlicher gemacht 
hatte, allgemein zum Bewußtsein gekommen und man hat in der neueren gemein- 
rechtlichen Prozeßdoktrin in Uebereinstimmung mit früheren Kodifikationen, so z. B. 
mit der Preuß. Ger. O. v. J. 1793, die abstrakten Regeln vereinfacht und dem fub- 
jektiven Ermessen des Richters mehr Spielraum gewährt. Die heutige gemeinrechtliche 
Praxis steht auf demselben Standpunkt. Noch weiter gehen aber die neuerdings auf 
dem Gebiete des Prozeßrechts angestrebten Reformen. Die neuesten Civilprozeß- 
Gesetzgebungen haben nicht nur wie die Franz. Gesetzbücher für einzelne Fälle den 
Richter an bestimmte Beweisregeln (z. B. hinsichtlich des Urkundenbeweises und des 
nothwendigen Eides) gebunden, sondern auch das Prinzip der freien Beweis- 
würdigung ausdrücklich ausgesprochen. So bestimmt insbesondere § 259 der D. 
CPO.: „Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesammten Inhalts der Ver- 
handlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Ueber- 
zeugung zu entscheiden, ob eine thatsächliche Behauptung für wahr und für nicht 
wahr zu erachten. In dem Urtheile sind die Gründe anzugeben, welche für die 
richterliche Ueberzeugung leitend gewesen sind. An gesetzliche Beweisregeln ist das 
Gericht nur in den durch dieses Gesetzbuch bezeichneten Fällen gebunden.“ Damit 
ist zugleich die Beschränkung des Richters auf bestimmte Beweismittel beseitigt und 
demselben auch gestattet, alle sich ihm aus der Verhandlung ergebenden Anhalts- 
punkte, alle Indizien für die Bildung seiner Ueberzeugung zu benutzen. Aber 
immerhin ist zu beachten, daß durch diese Vorschrift die Erforschung der materiellen 
Wahrheit nicht zum Prozeßzweck gemacht worden ist. Der Beweis untersteht auch jetzt 
noch der Verhandlungsmaxime und dem Zweiparteienverhältniß. Daher ist einer- 
seits der Richter noch immer an die Beweismaterialien und die Beweisthemata, 
welche ihm die Parteien liefern, gebunden, ohne seine Privatwissenschaft benutzen 
zu können und es ist die Nothwendigkeit der Vertheilung der Beweislast und der 
Beweise auf die eine oder die andere Partei nicht ausgeschlossen. Beide Momente 
können zu Ergebnissen, welche der freien Beweiswürdigung Schranken setzen, führen 
und ihre Geltung modifiziren. — Ueber B. im Strafprozeß (. d. Art. Beweis 
im Strafprozeß. 
Lit: Endemann, Die Beweislehre des Civ. Prz., Heidelb. 1860. — v. Bar, R. u. 
Beweis im Civ. Prz., Leipz. 1867. — Heusler, Arch. f. civ. Prax., Bd. 62 S. 233, 300, 
305 ff. — Wach, Vorträge üb. d. Deutsche CPO., Bonn 1879, S. 148. — Zink, leber die 
Ermittlung des Sachverhalts im Franz. Civ. Prz., 2 Bde., München 866 Hinschins 
Beweisverfahren im Civilprozeß. Unter B. versteht man die gesetzlich 
geregelte Art und Weise, in welcher dem Gerichte die Ueberzeugungsmittel für die 
Wahrheit der bestrittenen und als erheblich erkannten Parteibehauptungen, die 
Beweismittel, zugänglich gemacht werden. « »· 
Dies geschieht nach den Vorschriften der Deutschen CPO., wie nach bisherigem 
Gemeinen Prozeßrechte, in der Art, daß zunächst die von den Parteien zu be- 
nutzenden Beweismittel namhaft gemacht werden, sodann das Gericht diese Beweis- 
mittel benutzt, d. h. von dem Inhalte des durch dieselben gelieferten Ueberzeugungs- 
materiales Kenntniß nimmt. Der erste Theil dieses Verfahrens wird in der 
Deutschen CPO. technisch die „Antretung“ des Beweises genannt, der zweite Theil 
die „Beweisaufnahme“. v # · 
Beweisantretung und Beweisaufnahme sind je nach Verschiedenheit der in Be— 
tracht kommenden Beweismittel verschieden. Sie lassen sich daher nur für jedes 
Beweismittel gesondert darstellen (vgl. die Art. Augenschein, Zeugen- 
beweis, Sachverständigenbeweis, Urkundenbeweis, Eideszuschie- 
bung). Hier sollen nur die allgemeinen Bestimmungen über das B., welche unter- 
schiedlos für alle Beweismittel Geltung haben, erörtert werden. Hierbei ist aber 
zwischen dem regelmäßigen und dem außerordentlichen B. der CPPO. zu unterscheiden: 
24•
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.