Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

Budget. 431 
immer vollständigeren Besteuerungsrechte und zu einer Ordnung des Staatshaushaltes 
durch die Centralverwaltung unter Genehmigung des Landesherrn. 
Durch die konstitutionellen Verfassungen des 19. Jahrhunderts kehrt 
die Betheiligung der Steuerzahler am Staatshaushalt nach Maßgabe der neu- 
geordneten Steuern und Staatslasten zurück. Man behielt mit Recht die durch den 
absoluten Staat gewonnene Einheit der Voranschläge und die einheitliche Ordnung 
der Finanzverwaltung bei; nahm aber für die Betheiligung der Volksvertretung 
an der Feststellung des Etats mit Vorliebe das französische Muster unter mancherlei 
Variationen an. Es wird den Kammern alljährlich oder auf eine Mehrheit von 
Jahren ein Entwurf des gesammten Staatshaushalts vorgelegt, und durch ihre 
Genehmigung zu einem „Etatsgesetz“ erhoben. In Reminiszenz an die altständischen 
Verfassungen wird dabei der Schwerpunkt mehr in die Bewilligung der Ein- 
nahmen als der Ausgaben gelegt. Die konstitutionellen Verfassungen der Mittel- 
staaten machen demgemäß die Erhebung aller Steuern von einer erneuten Be- 
willigung abhängig oder wenigstens die direkten Steuern, unter Bestimmung 
eines Provisorium für den Fall, daß eine Vereinbarung mit den Kammern nicht 
zu Stande kommt. Ein Recht, die Ausgaben im Einzelnen festzustellen, war 
dagegen in den Verfassungen von Bayern, Württemberg, Sachsen, Baden u. a. 
direkt nicht eingeräumt, sondern hat sich erst in der Praxis unter mancherlei Kon- 
testationen gebildet. Den für die Regierungen entstehenden Verlegenheiten kam 
nun von Außen her der Bundesbeschluß vom 18. Juni 1832 zu Hülfe, daß 
die Landstände „die zur Führung einer den Bundespflichten und der Landesver- 
fassung entsprechenden Regierung erforderlichen Mittel“ nie verweigern dürfen. 
Die Preußische Verfassung von 1850 ist zu einer ermäßigten Stellung 
des Budgetrechts in der Weise gelangt, daß im Art. 109 die bestehenden 
Steuern und Abgaben für permanent erklärt werden, wogegen die Ausgaben 
ohne Unterschied „durch das Etatsgesetz“ festgestellt werden sollen, also formell vom 
freien Ermessen der zweiten Kammer abhängig sein sollen. Die konstitutionelle 
Praxis ist damit in eine außerordentlich weit getriebene Spezialisirung der Titel 
und der Abstimmungen gerathen. Es liegt in diesen Verhältnissen eine Kette von 
Widersprüchen und der Keim zu wiederkehrenden Konflikten, welche eine Mäßigung 
von beiden Seiten bedingen. Es ist dem Hause der Abgeordneten dem Buch- 
staben nach die Befugniß beigelegt, Ausgaben zu verweigern, welche sie rechtlich 
bewilligen müssen, und sogar jede Staatsverwaltung durch Verweigerung aller 
zur Führung der Geschäfte nothwendigen Mittel zum Stillstand zu bringen. An- 
dererseits sind die Kammern außer Stande, der Staatsregierung die Einnahmen 
des Staats vorzuenthalten; zugleich fehlt jede Rechtsprechung über die Gesetz- 
mäßigkeit der Steuern und eine wirksam geltend zu machende Ministerialverant= 
wortlichkeit. Die Widersprüche sind lediglich durch Einschaltung einzelner inkon- 
gruenter Sätze aus der Belgischen Verfassung entstanden, welche auf dem Prinzip 
der Volkssouveränetät aufgebaut, als Wahlkapitulation für eine neueingesetzte Dy- 
nastie bestimmt, mit den Deutschen Grundsätzen vom Rechtsstaat nicht zu ver- 
einigen sind. .. . 
Diese Unfertigkeit des Budgetrechts in Deutschland ist aber nicht zu 
heben durch die Scheidung eines ordentlichen und außerordentlichen B., welche nur 
auf wirthschaftliche Gesichtspunkte hinausläuft, während es sich darum handelt, 
die zur dauernden ge setzmäßigen Ordnung des Staats wesentlichen Einrich- 
tungen von den jährlich wechselnden Beschlüssen eines einzelnen Faktors der Gesetz- 
gebung unabhängig zu stellen. Jene Unterscheidung würde in ihrem Verlauf nur zu 
finanzieller Verwirrung führen, indem der eine Theil immer mehr Ausgaben in 
das ordentliche, der andere Theil in das außerordentliche B. zu schieben bemüht 
sein wird. Der staatsrechtliche Widerspruch läßt sich vielmehr nur heben durch 
eine Korrektur der Budgetbeschlüsse. Man kann dabei sehr wohl einen vollständigen
	        
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