Gölibat. 473
Ehen der Kleriker vom Subdiakon an aufwärts statuirten. Aber fortwä
wurde trotzdem das C. gesetz verletzt, so daß Kaiser Ferdinand I. im ms
anderen Fürsten auf dem Trienter Konzil als einziges Heilmittel für die zerstörte
Disziplin des Klerus die Beseitigung des Eheverbotes durchzusetzen versuchte. Das
Konzil (Sess. XXIV. c. 9 de sacram. matrimonüs) hat aber das frühere Recht
sanktionirt, indessen sind bis in das 17. Jahrhundert hinein Eheschließungen seitens
katholischer Geistlichen vorgekommen. Seit dem 18. Jahrhundert wurde die Be-
rechtigung des C.gesetzes in zahlreichen Schriften in Abrede gestellt und noch in
der Zeit zwischen 1821 und 1837 ist von einem Theil des Klerus in Deutschland
für die Abschaffung nicht nur agitirt, sondern auch bei einzelnen Regierungen
petitionirt worden. Diese Bewegungen haben sich zwar damals refultatlos ver-
laufen, aber in der neueren Zeit sind im Königreich Italien wieder ähnliche Be-
strebungen hervorgetreten, und es haben auch manche katholische Geistliche von der
auene kun das bürgerliche Recht gestatteten Befugniß der Verehelichung Gebrauch
gemacht.
II. Geltendes Recht der katholischen Kirche. Der Empfang
der Weihen vom Subdiakonat an aufwärts begründet ein öffentliches,
trennendes Ehehinderniß, die trotzdem eingegangene Verbindung ist also im recht-
lichen Sinne keine Ehe und zieht als Strafen ipso iure die Exkommunikation und
Suspension nach sich, außerdem kann auch der Verlust des Amtes gegen den be-
treffenden Geistlichen verhängt werden. Eine Dispensation von dem C.gesetz, als
einer nicht durch das göttliche, sondern nur das menschliche Recht der Kirche ein-
geführten Verpflichtung, seitens des Papstes ist zulässic und auch in mehrfachen
Fällen erfolgt. Die Ehen der Kleriker der niederen Weihegrade da-
gegen sind gültig, jedoch tritt für dieselben mit der Eheabschließung ipso jure der
Verlust der geistlichen Standesvorrechte und ihrer Benefizien ein, es sei denn, daß
der Bischof mangels geeigneter unverheiratheter Individuen verheirathete Mino-
risten — was jedoch nur zulässig, wenn sie in erster, mit einer Jungfrau geschlossener
Ehe leben — zu den Funktionen der niederen Weihegrade verwendet.
III. Die evangelische Kirche kennt den C., welcher schon in den Anfängen
der Reformation als unchristlicher Zwang verworfen worden ist, nicht.
IV. Verhältniß der Staatsgesetzgebungen zu dem Rechte der
Kirche. Ein Recht der Staatsgewalt zur Aufhebung des C.gesetzes läßt sich nicht
begründen, weil die Kirche der Natur der Sache nach die Oualifikation ihrer Be-
amten zu bestimmen hat, und ihr nicht von ihr für ungeeignet erachtete Indivi-
duen aufgedrungen werden können. Andererseits ist aber der Staat der Kirche
nicht zu positiven Leistungen verpflichtet und deshalb kann von ihm die Aufrecht-
erhaltung des C. gesetzes durch staatliche Anordnung nicht beansprucht, sondern nur
soviel verlangt werden, daß er die katholische Kirche ungehindert ihre rein geist-
lichen Strafen gegen die den C. verletzenden Geistlichen vollstrecken läßt. Diesen
prinzipiell richtigen Standpunkt hat schon das Preuß. LR. eingenommen, während
in Frankreich, dessen C. civ. das Ehehinderniß der höheren Weihen ebenso wie
das LR. übergeht, eine freilich nicht unangefochtene Praxis sich für die civilrecht-
liche Nichtigkeit der Ehen der katholischen Geistlichen erklärt hat. Ausdrücklich
war letztere sanktionirt durch die Gesetzgebungen Oesterreichs, Bayerns,
Sachsens und Badens, und dieser Grundsatz galt auch in denjenigen Ländern,
in welchen, wie z. B. in Württemberg, Oldenburg, den Preuß. Provinzen
Hannover, Hessen-Nassau, Gemeines Recht Anwendung fand. Aber auch
in solchen Ländern (so auch jetzt in Oesterreich nach dem Gesetze über die inter-
konfessionellen Verhältnisse vom 25. Mai 1868) cessirte das staatliche Ehehinderniß
mit dem Austritt des Geistlichen aus der katholischen Kirche, denn damit war seine
Zugehörigkeit zu derselben nach staatlicher Auffassung gelöst. Das Reichspersonen-