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doch durch Aufnahme des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Verhandlung die
Wichtigkeit derselben erheblich eingeschränkt. Daß sie überhaupt anzulegen sind, ist
zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben, folgt aber mit Nothwendigkeit aus §5 271.—
Sie werden gebildet durch die von den Parteien einzureichenden Abschriften der
unter ihnen gewechselten Schriftsätze und im Parteiprozesse durch die Gerichts-
schreiber-Protokolle (X 124), durch das Protokoll über die mündliche Verhandlung
und die in derselben ergehenden Entscheidungen des Gerichts (§ 145), durch die das
Ergebniß der Beweisaufnahme — wenn sie nicht in der mündlichen Verhandlung
erfolgt ist — beurkundenden Protokolle (§ 327) und durch das Endurtheil (6 286). —
Allein die erstgedachten Abschriften der Schriftsätze bilden nicht mehr die Grund-
lage der Entscheidung, die vielmehr auf Grund des mündlichen Vorbringens der
Parteien zu erlassen ist. Bis zum Schlusse derjenigen mündlichen Verhandlung,
auf Grund welcher das Endurtheil ergeht, können neue Angriffs= und Vertheidigungs-
mittel angebracht und neue Beweise angeführt werden. Auch eine Erweiterung des
Klageantrags und die Anbringung einer Widerklage behufs Feststellung eines streitig
gewordenen Rechtsverhältnisses ist bis dahin zulässig (§ 253). — Die durch den In-
halt der A. fixirte Sachlage kann sonach bis zum Erlaß des Endurtheils eine Aende-
rung erfahren. Die A. haben für die Entscheidung des Rechtsstreits nur den Zweck,
die von den Parteien gestellten Anträge zu fixiren und wesentliche Parteierklärungen
thatsächlicher Natur sowie Geständnisse und die Erklärung über die An-
nahme oder Zurückschiebung eines zugeschobenen Eides festzustellen (§8§ 269, 270).
Anträge, welche nicht zu den A. gebracht sind, finden keine Berücksichtigung. Eine
Ausnahmestellung nehmen die A. bei dem in den §§ 313 ff. geregelten vorbereiten-
den Verfahren ein. Ansprüche, Angriffs= oder Vertheidigungsmittel, Beweismittel
und Beweiseinreden, welche nicht zu Protokoll des beauftragten Richters festgestellt
sind, können im Laufe des Rechtsstreits nicht mehr geltend gemacht werden.
Was die Fixirung des Beweisergebnisses betrifft, so geht das Gesetz so weit,
daß in Sachen, in welchen das Endurtheil der Berufung nicht unterliegt, der In-
halt der Aussagen vernommener Zeugen und Sachverständigen nicht zu Prototoll
beurkundet zu werden braucht.
2. Eine wesentlich andere Bedeutung haben die A. im Strafverfahren. Hier
dienen fie nicht blos zur Feststellung der von den Betheiligten gestellten Anträge
und der auf dieselben erlassenen Entscheidungen, vielmehr ist zu unterscheiden zwischen
dem Vorverfahren und dem Hauptverfahren. Im ersteren und zwar sowol bei ge-
führter Voruntersuchung, wie ohne diese bilden sie die alleinige Grundlage für den
das Hauptverfahren eröffnenden oder ablehnenden Beschluß, im letzteren dagegen,
in welchem der Grundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung herrscht, dienen sie
gleichsam nur zur Vervollständigung der Verhandlung, indem die in ihnen ent-
haltenen Aussagen von Zeugen und Sachverständigen sowie die Auslassungen der
Angeklagten aus ihnen verlesen werden können (§8 252, 253 StrafPVO). Für die
Feststellung des Beweisergebnisses dagegen sind sie nur im schöffengerichtlichen Ver-
fahren von Bedeutung, während sie im Uebrigen nur zum Nachweis der beobach-
teten Förmlichkeit von Werth sind. Wesentlich sind sie endlich noch im Straf-
vollstreckungsverfahren. —
Die äußere Einrichtung der A., welche den reglementarischen Bestimmungen
der Einzelstaaten überlassen ist, erfordert im Allgemeinen eine chronologische Ord-
nung der Schriftstücke und Urkunden. Auch sollen sie zur besseren Handhabung
mit Blattzahlen versehen werden. Nach ihrem Inhalte unterscheidet man General-
oder Spezial-A. Ihre Behandlung, also ihre Einrichtung und Verwahrung liegt
den Gerichtsschreibern ob. In Preußen ist für Strafsachen angeordnet, daß ihre
Verwahrung bis zur vollstreckbaren Entscheidung den Gerichtsschreibern der Gerichte,
sodann aber denen der Staatsanwaltschaft obliegt.
Meves.