792 Familienfideikommiß.
wird, als dem Familienhaupte gewährt gilt. Sie bringt also den Lauf der zum
Erwerb bzw. Verlust des Unterstützungswohnsitzes führenden Frist für das Familien-
haupt zum Stillstand und bestimmt den fürsorgepflichtigen Landarmenverband auch
für das Familienhaupt und andere Familienglieder, welche während der Dauer
dieser Unterstützung an anderen Orten hülfsbedürftig werden. In diesen beiden Be-
ziehungen gelten auch die oben unter 2. aufgeführten Personen als zur Familie ge-
hörig. Denn die selbständige Ehefrau gilt als selbständig, während der Dauer der
Ehe nur wenn und so lange sie von dem Ehemann getrennt lebt und diese
das sonstige System des UW . durchbrechende Ausnahmevorschrift ist strictis-
sime zu interpretiren (Wohlers, Entscheid. X. S. 20). Der Grundsatz von der
Personeneinheit der Familie hat ferner zur Folge, daß die Uebernahme (§ 31
des UW G.) der Familienglieder ohne das Familienhaupt nicht verlangt werden kann.
In dieser Beziehung gelten die unter 2. aufgeführten Personen nicht als zur Familie
gehörig, weil das Familienhaupt nicht gezwungen werden kann, die Vereinigung
mit der Ehefrau wieder herzustellen.
Lit.: Rocholl, System, Verlin 1873, S. 102. — Arnoldt, Freizügigkeit u. Unter-
gutungswahnft, Seilin 1872, S. 52. — Eger, Reichsgesetz über den nmk[ n
Breslau 1874, S. 3. — S' ey del, Das Asegbrrralt in Hirth's Annalen f. 18
Wohlers, Das Reichsges., Berlin 1880, S. 20, B. König.
Familienfideikommiß ist ein familienrechtliches Institut des Inhalts, daß
ein Gut vermöge einer Privatdisposition in der Familie des Stifters oder eines
Dritten als unveräußerliche vermögensrechtliche Grundlage ihrer sozialen Stellung
auf alle Geschlechtsnachfolger überzugehen bestimmt ist. Seine Tendenz geht sonach
dahin, durch Beschränkung der Dispositionsgewalt des jeweiligen Eigenthümers die
vermögensrechtliche Unsterblichkeit der Familie zu sichern, um damit den Platz, den
sie in der Gesellschaft einnehmen soll, auf die Dauer zu fixiren. Der Zweck des
Institutes, der ja geradezu seinen Inhalt ausmacht, die Mittel zur Realisirung
desselben und endlich die Geschichte des F. berechtigen uns, dasselbe als ein Familien=
rechtsinstitut aufzufassen.
Im älteren Deutschen R. war das Erbrecht überhaupt ein Familienrecht,
welches sich schon bei Lebzeiten des Erblassers in dem Wartrechte des nächsten Erben
als wirksam erwies. Die in verschiedenen Stammesrechten geltende Bevorzugung
des Mannsstammes, das bedingte oder unbedingte Beispruchsrecht der Söhne oder
der nächsten Erben, die Grundsätze über das Handgemal (Th. I. S. 215) ver-
bürgten bis zu einem gewissen Grade die Erhaltung des Grundbesitzes innerhalb des
Geschlechtes. Wo diese Rechtssätze nicht oder nicht mehr galten oder soweit sie nicht
als ausreichend erschienen, konnte man besondere Dispositionen treffen, vermöge deren
gewisse Güter auf die Dauer im Mannsstamme einer Familie erhalten blieben.
Die ältesten Spuren von Verfügungen, welche die wesentlichen Merkmale des F.
an sich tragen, finden sich bei den Angelsachsen. Aelfred 41 und ags. Urkunden
des 8. bis 10. Jahrhunderts kennen Zuwendungen von Grundstücken mit der Be-
stimmung, daß sie unveräußerlich im Mannsstamme des Bedachten verbleiben sollen.
Das frühe Verschwinden des ags. Stammgutes (Edhel), welches durch das im
allgemeinen frei veräußerliche Bocland verdrängt worden war, mag das Be-
dürfniß solcher Dispositionen hervorgerufen haben. In Deutschland tauchen Rechts-
geschäfte ähnlicher Tendenz erst später auf. Man benutzte hier die Vergabung zu
gesammter Hand mit Ausschließung der Veräußerlichkeit und der kognatischen Erb-
folge. Ein auffallend frühes Beispiel bietet eine bayerische Urkunde von 1075
(Hundt, in d. Abh. der bayer. Akademie hist. Klasse XIV. 2, p. 78), in welcher die
Eltern verschiedene Güter für den Todesfall als Sammtgut auf die Kinder übertragen
mit Ausschließung der auszuheirathenden Töchter und der Söhne, welche eine nicht
standesmäßige Ehe (matrimonium inferius sua conditione) eingehen würden. Das