Familienfideikommiß. 793
unter den Gesammthändern begründete Verhältniß, bei welchem in der Regel jede
Theilung ausgeschlossen ist, wird vielfach als Ganerbschaft bezeichnet. Die dahin
abzielenden Rechtsgeschäfte heißen Burgfrieden, Stammvereine, Erbeinigungen. Seit
dem 14. Jahrhundert finden sich auch Anordnungen einer bestimmten Individual-
succession. Als das Röm. R. rezipirt wurde, setzte der hohe Adel sein eigenartiges
Familiengüterrecht durch autonome Satzungen fest. Für den niederen Adel bildete
die Doktrin theilweise im Anschluß an jene älteren Dispositionen den Begriff des
F. aus. Es wurden nämlich solche Rechtsgeschäfte, welche gewisse Güter für unver-
äußerlich erklärten und dem Mannsstamme vorbehielten, von den Juristen des 16.
und 17. Jahrhunderts, welche Alles „schlechterdings über den Römischen Rechts-
leisten zu schlagen gewohnt waren“ (Kreitmayr, Anmerkungen über den Codicem
Maximilianeum Bavaricum civilem II. c. 10, 1760) an das Römische fideicommissum,
qduod familiae relinquitur, angeknüpft, welches bereits durch die Italienische Praxis
und Doktrin eine über das Röm. R. hinausgehende Fortbildung erhalten hatte.
Auch das Langobardische Lehnrecht wurde zur Konstruktion des neuen Rechtsinstitutes
herangezogen, indem der demselben eigenthümliche Begriff einer successio ex pacto
et providentia maiorum als Anknüpfungspunkt benutzt wurde, um den Uebergang
des Gutes von einem Besitzer auf den anderen zu erklären. Zuerst wurde diese
Auffassung in ausführlicher Weise von Knipschildt verfochten, dessen Tractatus
de fideicommissis familiarum nobilium (1654) für die juristische Behandlung dieser
Materie in Deutschland grundlegend wirkte. So ergiebt sich denn das F. als ein
Erzeugniß der durch die Doktrin beherrschten Praxis, welches dem Röm. R. die
äußerlichen Formen, dem Deutschen Rechtsleben die zu Grund liegende Rechtssitte,
dem Langobardischen Lehnrechte die juristische Auffassung eines wesentlichen Merkmals
verdankt.
Die Errichtung eines Fideikommisses (Fideikommißstiftung) setzt einen ausdrück-
lich erklärten Willensakt des Konstituenten voraus, welcher die zweifache Funktion hat,
das Gut für unveräußerlich zu erklären, und als Gegenstand successiver Nachfolge der Ge-
schlechtsmitglieder zu qualifiziren. Zur Stiftung ist Handlungsfähigkeit und Dispo-
sitionsbefugniß des Stifters nothwendig. Pflichttheilsrechte kann er also durch die
Stiftung nicht beseitigen, noch schmälern. Die Errichtung eines F. ist kein Stan-
desvorrecht. In der Regel kommt sie allerdings in Adelsfamilien vor, doch ist sie
nirgends auf Adelige beschränkt, wenn sie auch partikularrechtlich (Bayern) mitunter
nur zu Gunsten adeliger Familien erfolgen darf. Sie kann als eine Verfügung
auf den Todesfall oder als Disposition inter vivos, als einseitiges Rechtsgeschäft
oder als ein Vertrag ins Werk gesetzt werden. Die Fideikommißstiftung verlangt
an sich keine bestimmte Form, es genügt die Erfüllung der formellen Erfordernisse
jenes Rechtsgeschäftes, durch welches die Stiftung begründet wird. Wo öffentliche
Bücher bestehen, ist die Eintragung der Fideikommißqualität des Gutes mindestens
als Voraussetzung ihrer absoluten Wirksamkeit gegen Dritte zu betrachten. Die
Partikularrechte verlangen (ausgenommen Sachsen, Württemberg und beide Hessen)
landesherrliche oder doch obrigkeitliche Genehmigung der Stiftung. In Oesterreich
behandelt man diese als Gesetzgebungsakt, welcher die Uebereinstimmung der gesetz
gebenden Faktoren voraussetzt (Gesetz vom 13. Juni 1868). In Preußen ist das
in der Verfassungsurkunde ausgesprochene Verbot der F.errichtung durch das Ab-
änderungsgesetz vom 5. Juni 1852 wieder aufgehoben worden. Die Stiftungs-
urkunde bedarf hier der Verlautbarung und Bestätigung durch die Fideikommiß-
behörde; die königliche Genehmigung ist erforderlich für F. mit einem Reinertrag
von mehr als 30 000 Mark, sofern nicht die Umwandlung eines Lehens in ein F.
in Frage steht. Ueberall wo eine gerichtliche Konfirmation erforderlich ist, kann diese
nur aus Rechts gründen nach vorausgegangener causae cognitio verweigert werden.
Als Gegenstand einer Fideikommißstiftung sind nur Sachen verwendbar,
die einen dauernden Ertrag gewähren, Grundstücke, vinkulirte Kapitalien, andere