Abgeleiteter Besitz. 5
jedenfalls nicht schlechter ist, als die anderen neuerdings vorgeschlagenen Bezeich-
nungen, wie anvertrauter, unregelmäßiger, uneigentlicher Befitz.
Die Fälle, in welchen ein a. B. stattfindet, sind bei aller sonstiger Verschie-
denheit solche, wo der Besitz vom Eigenthumsbesitzer nicht sowol übertragen,
als widerruflich überlassen ist, und zwar, wenigstens in einigen Fällen, mit der
Anomalie, daß zwischen dem ursprünglichen und dem abgeleiteten Besitzer eine
Theilung, resp. ein relativer Doppelbesitz eintritt. Somit ist der a. B., wenn
auch nicht ein „Unding“, so doch eine Singularität, woraus von selbst folgt, daß
man seine Existenz nur da annehmen darf, wo sie sich aus dem Gesetz ausdrücklich
nachweisen läßt. Namentlich ist es für das Röm. R. zu verwerfen, wenn, z. B.
von Thibaut, behauptet wird, der a. B. könne an jeden Pächter willkürlich
übertragen werden, oder gar, er könne in jedem Falle gelten, in welchem ihn ein
wirklicher Besitzer gelten lassen will.
1) Der wichtigste Fall von a. B. ist der Besitz des Pfandgläubigers,
ursprünglich nur des Faustpfandgläubigers aus dem civilrechtlichen Pfandvertrage,
was aber später wol auf den apprehendirenden Hypothekargläubiger ausgedehnt
wurde. — Beim Faustpfandgläubiger läßt sich der a. B. aus der geschichtlichen
Entwicklung des Röm. Realkredits und aus dem praktischen Bedürfnisse sehr leicht
erklären. Als der Gläubiger neben der umständlichen, steisen und objektiv be-
schränkten Manzipation sub pacto fiduciae einzig und allein auf das pignus ange-
wiesen war, mußte er in der Aufbewahrung der ihm eingehändigten Sache unab-
hängig vom Schuldner, ja gegen den Schuldner geschützt werden: zu diesem Zwecke
gab der Prätor ihm und nicht dem Schuldner die possessorischen Interdikte, und
es blieb auch später dabei, als dem Gläubiger die Hypothekarklage zu Gebote stand.
Der Gläubiger also besitzt und übt, mit Ausnahme der Usukapion, alle Rechte des
Besitzes aus. Den animus domini kann er aber selbstverständlich nicht haben, und
so ist sein Besitz nur ein abgeleiteter. — In Beziehung auf die Usukapion wird
aber der Pfandschuldner noch als Besitzer erklärt, so daß er die angefangene Usu-
kapion fortsetzt, was seinem Gläubiger nur vortheilhaft sein kann, dem eine Vin-
dikation seitens eines Eigenthümers sein Pfand entziehen würde; in dieser Beziehung
ist der Pfandgläubiger Stellvertreter des Schuldners. — Savigny sieht hierin eine
bloße Fiktion des Besitzes und lediglich eine Ausnahme von der Regel sine posses-
sione usucapionem procedere non posse. (I. 35 S1 D. de pigneraticia 13, 7. 1. 1
15 de A. v. A. P. 41, 2.)
2) Wenn im Precarium (s. diesen Art.) nicht ausdrücklich bestimmt ist, daß
der Prekarist bloßer Detentor und als solcher Stellvertreter des precario dans sein
soll, so hat er selbst den Besitz an der geliehenen Sache, was aus dem ursprüng-
lichen Verhältnisse des Precarüzum ager publicus leicht erklärlich, dem prak-
tischen Zwecke des Geschäfts angemessen und für den Geber ungefährlich ist. Diesem
bleibt auch hier der Usukapionsbesitz. Bekanntlich wurde gerade beim Precarium
der Satz: plures eandem rem in solidum possidere non possunt, von den älteren
röm. Juristen nicht allgemein anerkannt. (I. 2 § 3 D. de precario 43, 26. 1. 3
* 5 de A. v. A. P. 41, 2.)
3) Bei der Sequestration ((. diesen Art.) kann von den streitenden Parteien
ausbedungen werden, daß der Segquester den Besitz haben soll. Die Absicht ist hier
negativ; die Folgen, welche der Besitz der einen Partei haben würde, sollen abgewendet
werden, so daß im älteren R. die Zeit der Sequestration für Vergleichung der Dauer
des beiderseitigen Besitzes nicht in Anrechnung kam (s. d. Art. Besitzesschutz,
interdictum utrubi), und die von der einen Partei etwa angefangene Usukapion
unterbrochen wird. Natürlich kann der Sequester nicht ersitzen, da ihm der animus
domini fehlt. (I. 39 de A. v. A. P. 41, 2. 1. 17 § 1 depositi 16, 3.)
4) Ob noch in anderen Fällen a. B. anzunehmen sei, ist außerordentlich be-
stritten. Bruns verneint es, f. Th. I, 379. Aeltere Ansichten, wonach der In-