Amtsgerichtliches Verfahren. 95
Richter das Recht freiester Prozeßleitung gegeben ist, nur daß nach Vorschrift der
Cl. Pastoralis in Cl. de sententia 2, 11 die wesentlichen Bestandtheile des Prozesses
beobachtet sein müssen, welche sich nach dem I A. § 122 im Anhalt an das
Röm. R. auf Klagerhebung, Ladung, Kognition der Sache und Urtheil beschränken.
Seine Ausbildung im Einzelnen ist, an der Hand namentlich auch der Cl. Saepe,
durch die Wissenschaft erfolgt und sind dazu in den verschiedenen Staaten, wo das
Verfahren rezipirt wurde, noch weitere Bestimmungen hinzugekommen. In Frank-
reich, wo die einschlägigen Bestimmungen der Ordonnance von 1667 von Jousse
und Pothier auf dieses Verfahren zurückgeführt werden, gilt es nach dem Code de
proc. und späteren Gesetzen namentlich auch für das Verfahren vor den Friedens-
und Handelsgerichten, für Klagen aus liquiden Urkunden, für persönliche und
Mobiliarklagen bis zu 1500 Francs Werth, für schleunige, für Provisorien= und
für Inzidentsachen, und hat seine Eigenthümlichkeiten in der Kürze der Fristen, im
Wegfall des Anwaltszwanges, des Schriftwechsels vor der mündlichen Verhandlung
und der Nothwendigkeit der Verlesung von motivirten Anträgen, im Wegfall der
artikulirten Vernehmung der Zeugen, der Protokollirung von Aussagen der Zeugen
und Sachverständigen in Sachen, in welchen kein Appell stattfindet, in der Besei-
tigung der Weigerung der Einlassung bei den deklinatorischen und dilatorischen Ein-
reden und in Berücksichtigung der sachlichen Unzuständigkeit von Amtswegen, endlich
in der provisorischen Vollstreckbarkeit der Urtheile und in der Zulassung freiwilliger
Sistirung und sofortiger Verhandlung der Parteien vor dem Friedensrichter. Diese
Grundsätze finden sich zunächst im a. V. der Hannov. Prz. O. und sodann in den
Entwürfen der Deutschen CPO. wieder, welche sie auch für das Verfahren vor
Handelsgerichten adoptiren. Das Deutsche GG. hat indessen die Handels-
gerichte unter die Kammern der Landgerichte eingereiht und greift daher vor
ihnen das landgerichtliche Verfahren Platz. Das a. V. dagegen bestimmt sich,
wie im Gem. und Franz. R., zunächst im Allgemeinen nach den Grundsätzen des
Verfahrens vor den Landgerichten, welchem in der CPO. indessen die dem
ordentlichen Französischen und gemeinrechtlichem Verfahren eigenthümliche artikulirte
Zeugenvernehmung mangelt. Sodann beschränkt sich das Recht der Prozeßleitung,
welches bei der monokratischen Verfassung der Amtsgerichte auch der Anrufung der
Entscheidung des Gerichts über Anordnungen des Vorsitzenden nicht unterliegt,
nicht, wie im landgerichtlichen Verfahren, auf die Befugniß, Fragen zur Erläute-
rung unklarer Anträge, Ergänzung thatsächlicher Angaben und Beweismittel, Her-
beiführung von Erklärungen über Thatsachen und Beweise zu stellen und nicht auf
Hervorhebung von Bedenken bezüglich von Amtswegen zu berücksichtigender Punkte;
der Richter hat vielmehr im a. V. auch die Pflicht, auf Stellung sachdienlicher Anträge
und vollständige Angabe der erheblichen Thatsachen und der vollständigen Erklärung
über sie hinzuwirken, soll also der Partei sagen, was sie zu fordern berechtigt ist,
und ihr dasselbe angemessen formuliren helfen, soll sie auf mögliche Rechtsverfol-
gungsmittel, insbesondere auch die Einrede sachlicher Unzuständigkeit, und auf mög-
liche Thatsachen hinweisen und darf auch nicht ohne Weiteres, wie dies trotz des
Fragerechts im landgerichtlichen Verfahren möglich ist, bei mangelhafter Begründung
oder Beweisangabe der Klage zur Abweisung derselben, bei Schweigen des Be-
klagten zur Annahme des Geständnisses, insonderheit nicht bei Urkunden zur An-
nahme der Echtheit ohne Forderung einer Erklärung über dieselbe, schreiten. Das
Verfahren ist, wie im Franz. R., anwaltsfreier Prozeß und je mehr der Richter
es mit rechtsunkundigen Parteien zu thun hat, desto entschiedener hat er von seiner
Prozeßleitung Gebrauch zu machen. Weigerung der Einlassung hindert ihn so wenig
wie nach der Cl. Saepe, der Extravy. und dem Franz. R. am Fortschreiten, wenn
er nicht selbst abgesonderte Verhandlung der sogen. prozeßhindernden Einreden für
erforderlich erachtet; nur die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit oder der Antrag
einer Partei überhaupt bei sachlich unzuständigen Widerklagen oder Präjudizialin=